Coop lenkt ein – Rückvergütung von 3% vom Tisch

Coop lenkt ein – Rückvergütung von 3% vom Tisch

Faire Märkte Schweiz erzielt Durchbruch im Einsatz für faire Handelsbeziehungen

Der Druck hat gewirkt: Coop hat Ende Juli die umstrittene Konditionenvereinbarung zurückgezogen, die von Lieferanten von Gemüse und Früchten ab 2026 eine pauschale Rückvergütung von 3 Prozent verlangt hätte. Der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS), der im Juni deswegen Anzeige bei der Wettbewerbskommission (Weko) eingereicht hatte, begrüsst diesen Rückzug ausdrücklich.

Die Coop Genossenschaft hat ihre geplante Konditionenvereinbarung mit den Gemüse-, Obst- und Beerenlieferantinnen nach erheblichem Widerstand zurückgezogen. Der Entscheid, auf die Bonusforderungen in Höhe von bis zu 3 % des fakturierten Umsatzes zu verzichten, ist ein wichtiger Erfolg für die betroffenen Produzentinnen und Produzenten – und ein deutliches Signal für die Wirkung von öffentlichem Druck und rechtlichem Engagement. Dies ist ein Etappensieg; strukturelle Machtprobleme bleiben jedoch ungelöst.

Was Coop in der Vereinbarung als «Bonus» deklarierte, war de facto eine rückwirkende Preissenkung ohne konkrete Gegenleistung. Für die Verteilregion Bern sollte sie ab Mai 2025 gelten (1 %), ab Januar 2026 waren schweizweit 3 % vorgesehen. Diese flächendeckende Pauschalregelung hätte die Produzentinnen und Produzenten von Gemüse, Früchten und Beeren jährlich rund 12 Millionen Franken gekostet. Eine Ausweitung auf weitere Produktgruppen war absehbar.

Missbrauch von Marktmacht – WEKO bleibt erneut untätig

Faire Märkte Schweiz (FMS) hat den Fall am 10. Juni 2025 der Wettbewerbskommission (WEKO) gemäss Art. 26 ff. KG gemeldet. Die Anzeige legte dar, dass Coop im Sinne eines «Take-it-or-leave-it»-Szenarios faktisch nicht verhandlungsfähige Bedingungen diktierte – trotz struktureller Abhängigkeit vieler Lieferanten und fehlender realistischer Ausweichmöglichkeiten.

Trotz der dargelegten kartellrechtlich relevanten Sachverhalte und der hohen wirtschaftlichen Tragweite entschied das WEKO-Sekretariat, keine weiteren Ermittlungen vorzunehmen, nachdem Coop ankündigte, auf die Umsetzung zu verzichten. Ein juristisch fragwürdiger Entscheid, der erneut die unzureichende Durchsetzungskraft der Schweizer Wettbewerbsaufsicht illustriert.

Systemische Zurückhaltung gegenüber marktmächtigen Grossverteilern

Der Fall reiht sich ein in eine Reihe von wettbewerbsrechtlichen Anzeigen gegen Coop und Migros, bei denen die WEKO keine vertieften Abklärungen vornahm – trotz marktbeherrschender Stellung dieser Unternehmen. Auch im Brotgetreidemarkt kritisiert FMS gravierende Missstände: Preisdrückerei durch Oligopolstrukturen, kartellähnlich koordinierte Einkaufspolitik durch wenige Abnehmer, sowie fehlende Ausweichmöglichkeiten für Produzenten.

FMS-Präsident Stefan Flückiger kommentiert: «Es stellt sich die dringende Frage, ob die bestehenden Institutionen ausreichend ausgestattet sind, um marktmissbräuchliches Verhalten marktmächtiger Unternehmen effektiv zu verhindern. Die Fälle Coop und Getreide-Mehlmarkt zeigen: Die WEKO reagiert nur, wenn die Medien oder die Politik Druck machen – von aktiver Marktüberwachung kann keine Rede sein.»

Fazit: Rückzug ist wichtiges Signal – aber keine Lösung

Der Rückzug der Bonusforderungen ist ein notwendiger Schritt, doch das zugrunde liegende Problem bleibt: Ein strukturell verzerrter Wettbewerb im Schweizer Agrar- und Lebensmittelsektor, bei dem die Marktmacht weniger Grossverteiler zu Lasten der Lieferanten zunehmend missbraucht wird. Faire Märkte Schweiz wird sich weiterhin für faire Bedingungen entlang der gesamten Lebensmittelkette einsetzen – mit Analysen, einer Meldestelle, juristischem Vorgehen und politischer Arbeit.

Infobox

Reformen dringend notwendig – Österreich als Vorreiter
Die Situation in der Schweiz ist nicht einzigartig: Auch in Österreich steht die Lebensmittellieferkette unter Druck. Der aktuelle Bericht des dortigen Fairness-Büros zeigt eine Zunahme unfairer Handelspraktiken wie erzwungener Rabatte, verspäteter Zahlungen und einseitiger Vertragsänderungen. Viele Lieferanten kämpfen ums wirtschaftliche Überleben – und für eine stabile Lebensmittelversorgung.FMS fordert analog zur österreichischen Lösung die Einführung einer institutionell gestärkten Wettbewerbsaufsicht. Konkret verlangt der Verein:Eine Reform der WEKO, wie sie aktuell durch Motion 23.3224 politisch unterstützt wird.Die Einführung von Sektoruntersuchungen ins Kartellgesetz, um strukturelle Marktversagen wie Informationsasymmetrien oder Zugangsbarrieren systematisch zu analysieren – auch ohne konkretes Verdachtsmoment.

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