Forschung & Analysen

Was ist Marktmacht bzw. Missbrauch von Marktmacht?

Die Prinzipien der Marktwirtschaft bauen auf einem vollkommenen Wettbewerb auf. Dieser ist nur dann gegeben, wenn kein Unternehmen und kein Konsument stark genug ist, um den Marktpreis zu beeinflussen. Eine derartige Situation liegt in der Regel dann vor, wenn sich eine grosse Anzahl von Kaufenden und Verkaufenden gegenüberstehen und ein freier Zutritt zum Markt möglich ist.

Unternehmungen wollen Gewinne maximieren und streben dazu, Marktmacht zu erreichen und dabei im Sinn einer Marktbeherrschung den Wettbewerb auszuschalten und auf den Preis Einfluss zu nehmen. In den Agrar- und Lebensmittelmärkten der Schweiz sind deshalb in den letzten Jahrzehnten Marktstrukturen entstanden, die von den zwei marktmächtigen Unternehmungen Migros und Coop dominiert werden. Es herrscht faktisch ein Duopol, dessen Auswirkungen in der kleinräumigen Schweiz mit hohem Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte äusserst gravierend sind.

Ausgangslage

Bei der Preisbildung, bei der Wertschöpfungsverteilung und bei den Themen der Marktmacht herrscht kaum Transparenz. Die Öffentlichkeit hat wenig Kenntnis von den unguten Entwicklungen, die aber umfangreiche Auswirkungen für Umwelt, Mensch und Tier zur Folge haben. Auch hinsichtlich Erkenntnisse aus der Forschung sind kaum Studien vorhanden, die diesbezüglich mehr Transparenz schaffen würden. 

Deshalb besteht grosser Handlungsbedarf zur Erarbeitung von neuen Erkenntnissen im schweizerischen Kontext, um diese Sachverhalte konsequent aufzuarbeiten. 

Studien

Verschiedene Studien und Publikationen haben in jüngster Vergangenheit die Hypothese bestätigt, dass die Agrar- und Foodmärkte nicht entsprechend funktionieren, wie dies vom Regulator erwartet wird.

Preismonitor

Künstlich hohe Preisdifferenzen reduzieren die Konkurrenzfähigkeit von Bioprodukten gegenüber Standardsortimenten beträchtlich. Ebenso liegt eine unfaire Wertschöpfungsverteilung vor, indem Bäuerinnen und Bauern kaum an den höheren Preisen beteiligt werden, obwohl sie die eigentlichen Erbringer der Nachhaltigkeitsleistungen sind. Der Preismonitor zeigt: Die heutigen Preisrelationen verunmöglichen den vom Bund geforderten Wandel zu nachhaltigen Ernährungssystemen.

Studie Preismonitor (ZHAW)

Durchgeführt durch die ZHAW im Auftrag des FMS
9. Oktober 2023

Studie Preismonitor

Der Preismonitor zeigt: Die heutigen Preisrelationen verunmöglichen den vom Bund geforderten Wandel zu nachhaltigen Ernährungssystemen.
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Publikationen

  • Artikel Thomas Wallimann-Sasaki, 5. Juli 2023, Faire Märkte Schweiz

Nachhaltigkeit entpuppt sich so auch als starkes Korrektiv zu einem ökonomischen Denken, das dem Markt und den Marktkräften noch immer die Fähigkeit zuschreibt, für gerechte Verhältnisse zu sorgen. Je grösser jedoch die Marktmacht einzelner – und vor allem weniger – Marktteilnehmerinnen ist, desto stärker sind diese gefordert, die ökonomischen Prinzipien zu hinterfragen und gemäss ihrem Bekenntnis zur Nachhaltigkeit ganz konkret ihre Margenbildung kritisch zu hinterfragen. Hier geht es zum Blogbeitrag.

  • SRF Kassensturz, 20. Juni 2023

Margen im Detailhandel – Ein gutgehütetes Geheimnis. Der Preisüberwacher führt darin aus, dass die beiden Grossverteiler eine kollektive Marktmacht haben und dies dazu führt, dass der Preiswettbewerb nicht wirklich spielt und europaweit die höchsten Margen existieren. Zum SRF Beitrag geht es hier.

  • Artikel Saldo, 9. Juni 2023

«Der Bio-Aufpreis ist fetter als die Wurst» und  «Hochpreisinsel Schweiz: Höhere Löhne sind nur eine Ausrede» Bio-Würste sind für Migros und Coop ein gutes Geschäft. Die Herstellung kostet kaum mehr als bei konventionellen Würsten. Doch der Preis einer Bio-Wurst ist viel höher. Die grossen Preisunterschiede zwischen der Schweiz und dem Ausland werden oft mit den höheren Schweizer Löhnen begründet. Studien zeigen aber: Der Einfluss der Löhne auf die Preise ist gering.

  • 2023, April, Sotomo

Unternehmen in der Verantwortung. Haltungen und Erwartungen der Bevölkerung. Zur Publikation geht es hier.

  • Vorabklärungen des Preisüberwachers betreffend die Preise der Bio-Lebensmittel 2023

Der Marktanteil von Bio bei Migros und Coop liegt gemäss Zahlen von 2021 bei 72.5%. In einem Vergleich zum Ausland findet der Preisüberwacher ein Indiz dafür, dass das wenig wettbewerbsintensive Umfeld in der Schweiz dazu beiträgt, dass Bio-Produkte stärker verteuert werden, weil sie eine extra hohe Marge zu tragen haben. 

  • Die NZZ veröffentlichte am 19.5.2021 eine Analyse

Darin wird festgehalten, «Herr und Frau Schweizer müssen für Bioprodukte das Zweifache des Preises bezahlen, den die gleichen Produkte in Österreich und Deutschland kosten».

  • STS-Labelstatistik 2022

Der Marktanteil von Migros und Coop liegt bei Label- und Biofleisch In den Hauptkategorien bei 68 bis 90%. Darin wird ein Hauptgrund dafür gesehen, dass sich die Preisschere zwischen konventionellen und Label- bzw. Bioprodukten immer weiter öffnet und infolgedessen der Absatz von Tierwohlprodukten stagniert.

  • Recherche von Prof. Mathias Binswanger, Wertschöpfungsanalyse bei Rind- und Schweinefleisch 2022

Er hat nachweisen können, dass Konsumentinnen und Konsumenten einen hohen Aufpreis für Label- und Bioprodukte zahlen, Tierhalterinnen und -halter jedoch nur einen geringen Aufpreis für die Einhaltung von Tierwohl- und Biorichtlinien erhalten. Dies lässt sich gemäss Binswanger mit Marktmacht begründen: «Viele kleine Anbieter (die einzelnen Tierhalterinnen und -halter) treffen dort auf wenige grosse Nachfrager (vor allem Grossverteiler). Unter solchen Marktbedingungen wird der Produzentenpreis tendenziell nach unten gedrückt, da die Nachfrager den Preis bestimmen können. Die Anbieter haben keine Chance, an andere Abnehmer zu verkaufen. Diese Marktkonstellation sorgt dafür, dass auch die Produzentenpreise für Schlachttiere, welche zu Label- und Bioprodukten verarbeitet werden, nur wenig höher sind als die Preise für die übrigen Schlachttiere».

  • Gastbeitrag der Professoren Paul Richli und Mathias Binswanger in der NZZ vom 6.4.2022

Sie halten fest: «Gibt es ein Marktversagen im Bereich Bio- und Labelfleisch? Gemäss Kartellrecht könnten Wettbewerbsbehörden dank dem neuen Konzept der relativen Marktmacht die Margen grosser Detailhandelsunternehmungen prüfen.»

  • Bundesrat: SDG Nr. 8

Die Ziele zu den Sustainable Development Goals im Rahmen der Agenda 2030.

Was wird dagegen gemacht?

Das Kartellgesetz bzw. der Staat als Regulator stellt den Wettbewerb im Interesse einer freiheitlichen marktwirtschaftlichen Ordnung sicher und bekämpft dazu Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen. Mit Jahresbeginn 2022 kamen die neuen Vorschriften zur relativen Marktmacht zur Anwendung, wie dies die Professoren Paul Richli und Mathias Binswanger in einem Gastbeitrag in der NZZ vom 6.4.2022 darlegen. 

Wie die Ergebnisse von Studien und Publikationen zeigen, spielen die Märkte sehr unvollständig. Gemäss Richli und Binswanger sollten die dargelegten Studien und Ergebnisse für die Wettbewerbsbehörden (WEKO) Grund genug sein, die beschriebene Marktsituation unter dem neuen Aspekt der relativen Marktmacht aus eigener Initiative abzuklären. Der Verdacht liege nahe, dass die Ausnutzung der relativen Marktmacht durch die beiden Detailhändler ein Marktversagen verursache. 

Der Verein FMS sieht diesbezüglich ebenfalls grossen Handlungsbedarf. Sollte die WEKO nicht selbst tätig werden, wird FMS ein Begehren für eine Vorabklärung stellen und Anzeige erstatten. In einem solchen Verfahren wären die Detailhandelsunternehmungen verpflichtet, alle Angaben zur Feststellung der relativen Marktmacht sowie geheim gehaltene Kalkulationen gegenüber den Wettbewerbsbehörden offenzulegen.

Fairness in den Märkten

Fairness in den Lebensmittelmärkten setzt nicht nur faire Lieferbeziehungen voraus, sondern vor allem auch eine faire Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Lieferkette. Den Produzenten ist die generierte Wertschöpfung aufwandgerecht und fair zu entschädigen. Schlecht funktionierender Wettbewerb und Marktversagen hindern ausserdem den nachhaltigen Wandel zu nachhaltigen landwirtschaftlichen Märkten. 

Heute fehlt in den Agrar- und Lebensmittelmärkten eine faire Verteilung der Wertschöpfung. Es ist seit langem bekannt, dass die heutigen Marktordnungen und -strukturen sowohl global wie national in den Agrar- und Lebensmittelmärkten keine Fairness gewährleisten. Die Liberalisierung der Märkte und die zunehmende Grenzöffnung haben die Situation diesbezüglich noch dramatisch verschlechtert. 

Agrarpreise bilden sich aufgrund von Nachfrage und Angebot. Dabei muss aber ein förderlicher Wettbewerb im Interesse aller sichergestellt werden und das Element Fairness mehr Gewicht erhalten. Es braucht in Zukunft in den Wertschöpfungsketten eine neue Denkweise. Schädliche Marktkonstellationen, der Missbrauch von Marktmacht und unfaire Handelspraktiken sind konsequent zu bekämpfen.

Transformation

FMS engagiert sich für faire Märkte, in denen ein förderlicher Wettbewerb im Interesse aller Akteure sichergestellt wird. Damit fördert FMS auch gezielt den Wandel hin zu nachhaltigen und tiergerechten Ernährungssystemen, indem die Konkurrenzfähigkeit zukunftstauglicher Produkte ansteigt und das Wohlergehen von Mensch, Tier und Umwelt gefördert wird. FMS legt dabei den Fokus gezielt auf die Ursachen der Absatzprobleme bei den nachhaltig und tierfreundlich erzeugten Produkten wie z.B. schädliche Marktkonstellationen oder unfaire Handelspraktiken. Davon werden die Umwelt auf breiter Ebene und ebenso Millionen von Nutztieren stark profitieren.

Auch der Bundesrat sieht gemäss seinem Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» diesbezüglich grossen Handlungsbedarf und will dafür speziell die Markttransparenz und die Kostenwahrheit verbessern. Gemäss dem Bundesrat wird heute das «nachhaltige, gesundheits- und tierwohlfördernde Einkaufsverhalten» behindert.

Beirat & Forschungsprojekte

Die Forschungsaufgaben werden vom Leiter des Expertenbeirates, von Prof. Dr. Mathias Binswanger koordiniert. Es wurde bereits eine Zusammenarbeit mit Forschungsteams der Fachhochschule Nordwestschweiz in die Wege geleitet und einzelne Projekte in Auftrag gegeben.

Mit dem FMS-Expertenbeirat werden weitere Forschungsfragen definiert und an Forschungsteams vergeben. Die ersten Ergebnisse der Forschungsprojekte werden noch im laufenden Jahr publiziert.

Mit den neuen Erkenntnissen aus angewandten Forschungsfragen wird FMS aufzeigen, wo Markt- und Wettbewerbsverzerrungen sowie unfaire Handelspraktiken existieren und welche Auswirkungen durch den ungenügend funktionierenden Wettbewerb und das Marktversagen auf Umwelt, Mensch und Tier entstehen.

Preisdrückerei Ticker

Quellen

Faire Märkte Schweiz unterstützen

Als Fördermitglied oder mit einer regelmässigen oder einmaligen Spende tragen Sie direkt dazu bei, dass fairer Handel zu nachhaltigen, gesunden und art- und naturgerecht erzeugten Produkten für Konsumentinnen und Konsumenten führt. Herzlichen Dank!

Studien

Wissenschaftlich belegt: Missbrauch der Marktmacht schadet Wohlstand und Umwelt

Verschiedene Studien belegen die schädlichen Auswirkungen von Märkten, bei denen keine Fairness unter den Stakeholdern herrscht resp. zeigen die positiven Effekte von fairen Märkten für Marktteilnehmende auf Augenhöhe.

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