Neuer Preismonitor zeigt: Preispolitik in der Schweiz ist nicht nachhaltig

Medienmitteilung

Zürich, 9. Oktober 2023 – Künstlich hohe Preisdifferenzen reduzieren die Konkurrenzfähigkeit von Bioprodukten gegenüber Standardsortimenten beträchtlich. Ebenso liegt eine unfaire Wertschöpfungsverteilung vor, indem Bäuerinnen und Bauern kaum an den höheren Preisen beteiligt werden, obwohl sie die eigentlichen Erbringer der Nachhaltigkeitsleistungen sind. Das belegt der heute veröffentlichte Preismonitor von Faire Märkte Schweiz (FMS), den die Fachhochschule Nordwestschweiz entwickelt hat. Der Preismonitor zeigt: Die heutigen Preisrelationen verunmöglichen den vom Bund geforderten Wandel zu nachhaltigen Ernährungssystemen.

Die Lancierung des neuen Preismonitors von Faire Märkte Schweiz ermöglicht es, die Preisbildung in den Nahrungsmittelmärkten in Zusammenhang mit der Nachhaltigkeits- und Fairnessdebatte zu diskutieren. Aufgrund der Ergebnisse darf gemäss FMS die Preispolitik der beiden Grossverteiler als Nachhaltigkeit-Leaders kritisch hinterfragt werden: Die künstlich hohen Preisdifferenzen und die unfaire Wertschöpfungsverteilung wird durch die bestehende Marktmacht der beiden Grossverteiler begünstigt. Denn dies erlaubt einerseits hohe Verkaufspreise und macht sich andererseits im Preisdruck auf die Produzenten bemerkbar.

Die Grundlage für den Preismonitor, dessen Resultate heute publiziert wurden, hat die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Auftrag von Faire Märkte Schweiz (FMS) entwickelt. Er bringt in Zusammenhang mit der Nachhaltigkeits- und Fairnessdiskussion Licht in die Preisgestaltung und gibt Antworten, wie es um die Konkurrenzfähigkeit von Nachhaltigkeitsprodukten gegenüber Standardprodukten steht: Wie sehen die Preisrelationen aus? Werden die Preise nach den effektiven Kosten kalkuliert? Werden die Produzentinnen und Produzenten von Bioprodukten mit finanziellen Anreizen belohnt?  Mit dem Monitor lassen sich zudem Aussagen zur Marktmacht ableiten. 

Der neue Preismonitor umfasst Produkte aus diversen Sortimentsbereichen der beiden Grossverteiler. In einer ersten Phase werden neben den Preisen von Fleischprodukten auch diverse Milchprodukte, Eier, Gemüse, Kartoffeln und Obst erfasst. Der Monitor basiert auf aktuellen Marktzahlen und wird zukünftig alle drei Monate neu berechnet. 

Falsche Preisanreize sind Widerspruch zur Nachhaltigkeitspolitik des Bundes

Erste Resultate des Preismonitors bestätigen, dass der vom Bund und der Gesellschaft geforderte Wandel hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen mit den heutigen Preisrelationen nicht realisiert werden kann. Für Nachhaltigkeitsprodukte werden falsche Preisanreize gesetzt und bei der Preisgestaltung von Bioprodukten andere Massstäbe angewendet als bei konventionellen Produkten. 

Letztere müssen v.a. billig und konkurrenzfähig sein und werden mit sehr knappen Margen kalkuliert. Die Ergebnisse des Preismonitors für Bioprodukte deuten darauf hin, dass für Bioprodukte bis zu 700% höhere Margen kalkuliert werden (Durchschnitt 176% vgl. Studie FHNW). Dies sind Indizien dafür, dass die Grossverteiler von ihrer marktmächtigen Position profitieren und diese hohen Preise im Markt «durchdrücken» können. Andererseits können sie mit ihren Muskeln spielen und bei den Bäuerinnen und Bauern die Preise drücken. 

Hohe Preisschere lässt Absatzzahlen stagnieren

Die Ergebnisse der Studie bestätigen, dass bei praktisch allen Sortimentsbereichen eine hohe Preisschere zwischen Bio- und konventionellen Produkten vorliegt. Die überhöhten Ladenpreise für Bio- und Labelprodukte sind wesentlich für die derzeitige Stagnation der Absatzzahlen in relevanten Nachhaltigkeitssortimenten verantwortlich. Gemäss dem Monitor liegen hingegen die Produzentenpreise für Bio nur unwesentlich über denjenigen von konventionellen Produkten. Dies hat zur Folge, dass die Erzeuger von Bioprodukten anteilsmässig deutlich schlechter entschädigt werden. Ihre Wertschöpfungsanteile sind in der Regel rund 6% tiefer als bei konventionellen Produkten (Durchschnitt Standardprodukte 41%, Bioprodukte 35% vgl. Studie FHNW).

Forderungen FMS: Gleiche Preisdifferenzen und Wertschöpfungsanteile

FMS fordert, auch auf Basis der Resultate des Preismonitors, eine Preisbildung, die die Produzenten von Bioprodukten fair entschädigt und den Konsumenten nicht überhöhte Preise aufbürdet. Erstens sollte der Wertschöpfungsanteil im Handel bei Bioprodukten nicht systematisch höher sein als bei konventionellen Produkten, so wie dies heute der Fall ist. 

Zweitens müssen Biobäuerinnen und Bauern proportional an der Wertschöpfung beteiligt werden, so dass sich die Umstellung auf Bio auch lohnt. Drittens müsste der Bund gegen die Marktmacht Massnahmen ergreifen, um dieses Marktversagen zu beseitigen. Heute stehen die Rahmenbedingungen im Widerspruch zu der vom Bund mit der Nachhaltigkeitsstrategie und zukünftigen Agrar- und Ernährungspolitik geforderten Transformation zu mehr Nachhaltigkeit.

Der FMS-Preismonitor weist folgende Eckpunkte auf:
  • Der Preismonitor umfasst Lebensmittel aus diversen Sortimentsbereichen, neben Fleisch auch diverse Milchprodukte, Eier, Gemüse, Kartoffeln, Obst.
  • Der Preismonitor basiert auf aktuellen Marktzahlen (in der ersten Phase von Grossverteilern) und wird von der Fachhochschule Nordwestschweiz alle drei Monate neu berechnet. Daraus lassen sich über die Jahre Entwicklungen aufzeigen.
  • Der Preismonitor wirft Fragen hinsichtlich der Margen und der Wertschöpfungsverteilung im Schweizer Foodmarkt auf und liefert mögliche Indizien für die aktuelle Marktmachtsituation.
  • Der Preismonitor macht volkswirtschaftliche Schätzungen, welche Beträge mit höheren Margenkalkulationen abfliessen (d.h. durch nicht kostenbasierte, sondern Zahlungsbereitschaft-basierte Kalkulation).
  • Der Preismonitor ist ein Transparenz-Instrument, das Licht in die Blackbox der Preiskalkulation bringen wird.

Für weitere Informationen:

Auskünfte:

Dr. Stefan Flückiger, Präsident, stefan.flueckiger@fairemaerkteschweiz.ch, +41 79 621 29 84

Medienkontakt: Kampagnenforum, media@fairemaerkteschweiz.ch, +41 44 500 16 00, www.fairemaerkteschweiz.chDownloadmaterialien: https://fairemaerkteschweiz.ch/downloads/

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