Ablehnung im Ständerat: Eine Ohrfeige für Berg- und Randgebiete gegen den Volkswillen
Fehlanzeige für eine Entwicklung in Richtung fairer Preisbildung sowie gesunde und nachhaltige Marktstrukturen: Nach einer wenig fruchtbaren Diskussion lehnte der Ständerat heute zwei Motionen für die Förderung regionaler Schlachtkapazitäten ab. Eine verpasste Chance, die Konzentration und Monopolisierung der Schlachtstrukturen auf dem Rücken der Bauern und der Randregionen zu bremsen. Diese Monopolisierung verhindert eine sichere und regionale Lebensmittelversorgung sowie den Wandel hin zu nachhaltigen und tiergerechten Ernährungssystemen, was von der Schweizer Bevölkerung verlangt wird.
Der Widerstand war und ist nach wie vor gross: Nachdem Micarna die Planung eines gigantischen Geflügelschlachthofs in St-Aubin im Kanton Freiburg bekannt gab, hagelte es Einsprachen von Seiten der Bevölkerung (1). Jährlich würden auf einer Fläche von gut zehn Fussballfeldern über 40 Millionen Hühner geschlachtet, die durch die halbe Schweiz transportiert würden.
Das klare Verdikt der Bevölkerung gegen eine weitere Zentralisierung der Schlachtkapazitäten scheint die kleine Kammer jedoch nicht zu interessieren. So wurden am Montagabend nach intensiver Debatte die zwei Motionen für die Förderung der regionalen Schlachtkapazitäten der Nationalrätinnen Munz und Giacometti mit 23 zu 16 Stimmen und 6 Enthaltungen abgelehnt. Damit ist die deutliche Annahme des Nationalrates mit klaren 158 zu 15 Stimmen obsolet und die Motionen sind erledigt.
Berggebiete und Tiere sind die Leidtragenden
«Das ist eine verpasste Chance und eine Ohrfeige für Berg- und Randgebiete», kommentiert Faire Märkte Schweiz-Präsident Stefan Flückiger den Entscheid. Die Organisation setzt sich ein für faire Märkte im Agrar- und Lebensmittelmarkt, besonders auch für die schwächeren Vertragsparteien. Dabei wäre die Annahme dringend nötig gewesen: Aktiv schlachtende Betriebe mit mindestens 5 Tieren pro Woche sind gerade in den dezentralen Regionen der Schweiz stark zurückgegangen. Ohne regionale Schlachtkapazitäten ist aber die sichere und nachhaltige Lebensmittelversorgung in der Schweiz gefährdet, unter anderem aufgrund der Anfälligkeit des Systems bezüglich Ausfälle, Störungen oder Problemen in den Schlachtbetrieben.
Zudem schädigt die fehlende Wertschöpfung im ländlichen Raum und in Berggebieten die Gesamtwirtschaft in der Schweiz, und die Zentralisierung hat einen negativen Einfluss auf die Preisstrukturen. Heute werden je nach Tierkategorie über 80% der Tiere in den grossen Schlachthöfen der Grossverteiler im zentralen Mittelland geschlachtet. Dieser Prozess beschleunigt sich sogar, wie das aktuelle Beispiel der Migros-Tochter Micarna zeigt. Zuletzt gefährdet der Abwärtstrend regionaler Schlachtbetriebe das Tierwohl aufgrund der langen Transportwege. Regionale Schlachthöfe sind für die Erzeugung regionaler Produkte und die Wertschöpfung im ländlichen Raum wichtig. Ebenso sind sie eine Voraussetzung für tiergerechte Hof- und Weideschlachtungen.
Bewährtes Schweizer System mit Füssen getreten
«Mit diesem Entscheid haben die ablehnenden Stimmen im Ständerat gegen die Förderung des bewährten Schweizer Systems der Regionalisierung entschieden», sagt FMS-Präsident Stefan Flückiger. «Zudem verkennt der Ständerat die Zeichen der Zeit: Das Bewusstsein für die Bedeutung von Hoftötungen (2) und mehr Tierwohl steigt. Eine weitere Zentralisierung der Schlachthöfe widerspricht nicht nur dem Interesse der Konsumierenden, sondern macht unsere Bäuerinnen und Bauern noch abhängiger von den wenigen marktmächtigen Schlachtbetrieben», so Stefan Flückiger. Dies zeigt auch die breite Unterstützung der Motionen von Bauernseite: Sowohl vom Schweizerischen Bauernverband (SBV) als auch von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete (SAB) waren die Motionen zur Annahme empfohlen worden.
Prozess der Zentralisierung ist dank der Motionen an der Oberfläche
Doch: «Dank der beiden Motionen und der Debatte im Rat ist das Thema nun an die Oberfläche gekommen. Wir werden uns mit Kräften weiterhin für gesunde Marktstrukturen, eine faire Preisbildung sowie eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung einsetzen», sagt Flückiger.
(1) www.nzz.ch/schweiz/die-schlacht-ums-poulet-ld.1836489
(2) www.swissinfo.ch/ger/bergleben/hoft%C3%B6tungen-mehr-zeit-und-weniger-stress-f%C3%BCrs-tier/86187976