Preisoffensive auf Kosten der Produzenten?
Blogbeitrag: Stéphanie Lichtsteiner, Co-Geschäftsführerin & Projektleiterin Faire Märkte Schweiz
Die NZZ am Sonntag vom 15. September hat unter dem Titel “das grosse Fressen” die möglichen Konsequenzen der angekündigten Fleischoffensive beleuchtet. Faire Märkte Schweiz (FMS) hat darin wie folgt geäussert: «Zwar sei es tatsächlich so, dass der Discounter die Preisabschläge selber trage und nicht auf die Lieferanten überwälze. […] Doch die Konkurrenz werde reagieren. Die Migros beispielsweise habe die nötige Grösse, um Preisnachlässe durchzudrücken.[…] Und wenn die Lieferanten dann nachgäben, werde sich das ganze Preisgefüge nach unten verschieben.» Im Rahmen der Studien zum Preismonitor analysiert FMS die Preisentwicklungen laufend und wird genau beobachten, ob die Fleischoffensive Auswirkungen auf die bäuerlichen Preise haben wird.
Fleischkäufer gelten für den Detailhandel als besonders attraktive Kunden, da sie häufig weitere Produkte mitkaufen. Deshalb werden Fleischprodukte oft mit Aktionspreisen als Lockvogel-Angebote genutzt. Dies ist keine neue Erkenntnis, der Discounter Aldi treibt diese Praxis nun aber auf die Spitze, indem Ende August die Preise im Fleischsortiment dauerhaft um bis zu 36 Prozent gesenkt wurden. Andere Discounter zogen umgehend nach, und auch die Migros hat gemäss der NZZ am Sonntag bestätigt, dass „in den letzten Tagen viele Fleischpreise gesenkt wurden“. Beim Grossverteiler wird der Einkauf aufgrund von Umstrukturierungen künftig für die Formate Denner, Migros, Migrolino und Migros Online gemeinsam getätigt. Migros-CEO Mario Irminger betonte, “dass die Migros ihre Preise stärker in Richtung Discount anpassen wolle”.
Horizontalbewegung: Gemäss FMS-Preismonitor reagiert die Konkurrenz
Es scheint, als hätten Schweizer Supermärkte in den Kampfmodus geschaltet. Das zeigen auch die Erhebungen, die Faire Märkte Schweiz halbjährlich systematisch mit dem Projekt Preismonitor durchführt. Bei der Produktkategorie Fleisch ist an diversen Stellen ein Preiskampf gegen unten erkennbar. So senkte Aldi im Rahmen ihrer Preisoffensiv-Kampagne den Kilogramm-Preis beim Rindshackfleisch um 25 Prozent auf 12 Fr./kg. Kurze Zeit später folgt Migros mit demselben Preisnachschlag auf ihr M-Budget Produkt und wenige Tage darauf wird auch das Coop “Prix Garantie” Produkt für denselben Preis angeboten.
Auffallend ist, dass Aldi zeitgleich mit einer Marketingkampagne für sein Bio-Label “Retour aux Sources” wirbt. Gemäss Medienmitteilung von Aldi ist es “das langfristige Ziel, den Anteil an Produkten in IP-Suisse und Bio-Qualität weiter auszubauen”. So erreicht der Discounter nicht nur die Schnäppchenjäger unter den Fleischessern, sondern auch jene Personen, welche Wert auf Label-Produkte und Nachhaltigkeitskriterien legen. Auch hier zieht die Migros kurze Zeit später nach und bietet das Bio Rinds-Hackfleisch neu auch 23 Prozent günstiger und somit zum gleichen Preis wie Aldi an (siehe Grafik Preisentwicklung).
Vertikalbewegung: Auswirkungen auf die Produzentenpreise?
Unklar bleibt, wie sich diese Preisspirale auf die Fleischproduzenten auswirken wird. Aldi betont, “dass die Anpassungen der Verkaufspreise keine Auswirkungen auf die Produzentenpreise haben werden”. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass das langfristig auch für die Konkurrenz gilt. Insbesondere die Migros könnte im Zuge ihrer neuen Einkaufsstrategie durch ihre Marktmacht Druck auf die Preise und Label-Zuschläge ausüben. Ob die Reduktion bei den Schlachtschweinepreisen von letzter Woche von 4.60 auf 4.40 pro Kilogramm Schlachtgewicht mit dem unüblich grossen 20 Rappen-Abschlag ausschliesslich die Reaktion der saisonalen Nachfrageveränderungen oder damit das Preisgefüge bewusst nach unten gedrückt wurde, wird sich zeigen.
Faire Märkte Schweiz wird die Entwicklung der Produzentenpreise in den nächsten Wochen genau beobachten und mit den neuesten Ergebnissen der Preismonitor-Studie die Preispolitik der Retailer genau unter die Lupe nehmen. Dies ist in der jetzigen Phase besonders wichtig, weil die Mengen und Labelpreiszuschläge für das Jahr 2025 verhandelt werden.