Ein Meilenstein, neue Umfrageergebnisse und alles zum 20. September: FMS-Monatsbericht August 2025
Es ist ein Meilenstein im Engagement von Faire Märkte Schweiz: Coop lenkte ein – den Produzentinnen und Produzenten bleiben 12 Millionen Franken Rückerstattung an Coop erspart. Dies belegt, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz von Fairness-Interventionen in den Agrar- und Lebensmittelmärkten ausgesprochen positiv ausfällt: Mit unserem Einsatz im Umfang eines tiefen fünfstelligen Betrages konnten wir 12 Millionen für fairere Handelsbeziehungen herausholen. Viele Betriebe haben sich spontan und mit sehr positiven Rückmeldungen bei uns gemeldet. Ihre Botschaft war eindeutig: FMS sollte für sein Engagement künftig von der Landwirtschaft auch finanziell unterstützt werden. Dafür braucht es mehr Rückhalt von offizieller Seite – zum Beispiel von den zuständigen Produzentenorganisationen.
In den Kurzmeldungen informieren wir über die Ergebnisse der Selfcheck-Auswertungen, die verdeutlichen, dass der wirtschaftliche Druck durch unfaire Handelspraktiken weiter zugenommen hat. Besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang den Bericht zu unserer neuen Serie “So geht fair”.
Haben Sie sich den nationalen lokal+fair-Tag vom 20.9.2025 reserviert? Wir stellen die Events vor.
Im Fokus
Der Druck hat gewirkt: Coop lenkt ein
Mit “Wie sich Schweizer Gemüsebauern erfolgreich gegen Coop durchsetzten” in den Tagesanzeiger-Blättern, “David contre Goliath” in der Westschweizer 24heures oder“Coop krebst zurück – kein Abzug für Produzenten” auf der Frontseite vom Schweizer Bauer wird die Brisanz dieses Falles offensichtlich: Coop hat ihre geplante Konditionenvereinbarung mit den Gemüse-, Obst- und Beerenlieferantinnen nach erheblichem Widerstand zurückgezogen. Der Entscheid, auf die Bonusforderungen in Höhe von bis zu 3 % des fakturierten Umsatzes zu verzichten (entspricht rund 12 Mio. jährlich), ist ein wichtiger Erfolg für die betroffenen Produzentinnen und Produzenten. Dies ist ein Etappensieg; strukturelle Machtprobleme bleiben jedoch ungelöst (wir berichteten: https://fairemaerkteschweiz.ch/coop-lenkt-ein-rueckverguetung-von-3-vom-tisch/).
Auch in Politik und Rechtswissenschaften ist unsere Anzeige bei der Weko und der Entscheid von Coop auf grosses Interesse gestossen. Denn im Zusammenhang mit dem Entscheid des Nationalrates in der Sommersession (wir berichteten: https://fairemaerkteschweiz.ch/nationalrat-schwaecht-kartellrecht-verein-faire-maerkte-schweiz-warnt-vor-machtmissbrauch-und-preisdruck/), der eine Verwässerung des Kartellgesetzes in diesen Punkten zur Folge haben würde, haben die Experten diesen Fall als explizites Beispiel genannt, wie wichtig die striktere Haltung des Ständerates ist. Wir sind diesbezüglich – zusammen mit unseren befreundeten Organisationen vom Gewerbe – bei der WAK-S vom 28.8.25 nahe dran und auch im Hinblick auf die Debatte im Ständerat der Herbstsession.
Kurzmeldungen
Alarmierende Abhängigkeit – Landwirtschaft am Limit
Eine aktuelle Auswertung des FMS Fairness Self-Check im Auftrag von diversen Produzentenorganisationen zeigt: Zwei Drittel der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe produzieren nicht kostendeckend (vgl. Artikel Schweizer Bauer). Befragt wurden 144 Betriebe. Über die Hälfte ist stark von wenigen Abnehmern abhängig, in der Romandie sogar 70 %. Preise, Mengen und Qualitätsanforderungen werden meist einseitig diktiert – fast die Hälfte erlebten bereits Vertragsänderungen durch Abnehmer. Rund 70 % tragen Produktionsrisiken wie Wetter oder Krankheiten allein. Fehlende Marktdaten verschärfen die Lage: 45 % haben keinen Zugang zu relevanten Informationen, über 60 % kennen ihren Wertschöpfungsanteil am Konsumentenfranken nicht. Auch bei den landwirtschaftlichen Produktionsmittel wie Dünger und Pflanzenschutz klagen viele über intransparente Strukturen und marktmächtige Anbieter. Nur ein Drittel kennt und nutzt unabhängige Beschwerdestellen (vgl. hier). FMS fordert deshalb dringend glaubwürdige Anlaufstellen und wirksame Massnahmen in der Revision der Agrarpolitik gegen Machtmissbrauch und für faire Marktbedingungen.
Neue Projektserie “So geht fair” mit Gemüsehändler Marinello + Co AG
Unsere Organisation engagiert sich für faire und transparente Märkte. Was dies in der Praxis von Schweizer Unternehmen im Agrar- und Lebensmittelsektor bedeutet und welche Herausforderungen damit einhergehen können, wird in der neuen Projektserie “So geht fair” beleuchtet.
Den Anfang macht der Gemüsehändler Marinello + Co AG, der im Zürcher Engrosmarkt beheimatet ist und die Gastronomie in und um Zürich täglich mit frischen Früchten, Gemüse und weiteren ausgewählten Produkten beliefert. Gemeinsam mit den Mitarbeitenden definierte Werte wie Vertrauen, Verantwortung und Fairness prägen das tägliche Handeln. Fairness bedeutet für Marinello Respekt, Wertschätzung, faire Entlöhnung und Produzentenpreise sowie langfristige Partnerschaften. Sie unterstützen Produzent:innen auch in schwierigen Zeiten, legen ihre Margen offen und setzen auf Dialog statt Labels. Dabei versteht Marinello Fairness nicht als starres Prinzip, sondern als einen lebendigen Aushandlungsprozess. Herausforderungen wie Preisdruck oder wachsender Marktmacht begegnen sie mit Transparenz, Kooperation und dem Ziel, stabile Beziehungen vom Feld bis zum Teller zu schaffen.
Nationaler lokal+fair-Tag am 20.9.: Übersicht Events
Am Samstag, 20. September 2025 heisst es zum zweiten Mal: nationaler lokal+fair-Tag! Spannende Betriebe in der ganzen Schweiz öffnen ihre Türen, zeigen ihre Produkte und laden dazu ein, Regionalität, Fairness und Nachhaltigkeit hautnah zu erleben. Nutzen Sie den Tag, um Höfe und Betriebe in Ihrer Umgebung zu besuchen, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und Neues kennenzulernen. Von Degustationen diverser mit Herzblut hergestellter Produkte, Vorstellung spannender neuer Direktvermarktungsprojekte bis zu Bauernhof-Erlebnistagen ist für jeden Geschmack etwas dabei. In zwei Gastronomie-Betrieben in Zürich und Bern findet zudem in der Woche vom 16.-19. September eine lokal+fair-Woche mit überraschenden Kreationen und spannenden Geschichten statt.
Die Übersicht aller Events finden Sie auf der lokal+fair-Webseite.
Umfrage zur Förderung lokaler & fairer Produkte in der Zürcher Gastronomie
Sarah Gonzenbach von der ZHAW möchte in Zusammenarbeit mit FMS in ihrer Masterarbeit herausfinden, mit welchen Massnahmen lokale & faire Produkte in der Zürcher Gastronomie gefördert werden können und was die wichtigsten Hürden sind, die eine höhere Nachfrage verhindern. Ihre Umfrage richtet sich an Gastronominnen und Gastronomen und Küchenverantwortliche aus dem Kanton Zürich. Unter allen Teilnehmenden werden zudem 5 x 50 CHF Gutscheine für ein regionales Lokal verlost. Sie bedankt sich für Ihre Teilnahme und das Weiterleiten des Links an interessierte Personen.
Heime Uster – unsere ersten lokal+fair-Systemgastronomen
Die Heime Uster verpflegen Bewohnenden, Mitarbeitenden und Gäste an zwei Standorten mit Frische-Küchen, die individuell auf Bedürfnisse und Voraussetzungen eingehen. Neben Genuss und Qualität haben lokale Produkte einen hohen Stellenwert – konkret und vor Ort.
Saisonalität, Regionalität und Nachhaltigkeit prägen Einkauf und Menügestaltung. Als lokal+fair-Systemgastronomen setzen die Heime auf Herkunft aus der Umgebung: Fleisch kommt von der Metzgerei Hotz Uster, Brot von der Bäckerei Vuaillat, Obst und Gemüse ebenfalls aus der Region. Frisch, hochwertig, natürlich – eine Gastronomie, die den Worten im Leitbild Taten folgen lässt.
Nicht nur Bewohnende, auch Gäste sind in den Restaurants Terrasse und Paradiso willkommen. Ein Besuch lohnt sich!
Mehr Informationen: www.heime-uster.ch. Zum lokal+fair-Portrait: https://lokalundfair.ch/hofe-und-restaurants/heime-uster/