FMS-Projektserie: So geht fair. Wie Schweizer Unternehmen Fairness und Transparenz in die Praxis umsetzen
Metzgerhuus Stadt und Land AG
Faire Märkte Schweiz engagiert sich für faire und transparente Märkte. Was dies in der Praxis von Schweizer Unternehmen im Agrar- und Lebensmittelsektor bedeutet und welche Herausforderungen damit einhergehen können, wird in der Projektserie “So geht fair.” beleuchtet. Anhand von inspirierenden Beispielen macht die Serie sichtbar, dass ein Engagement im Bereich Fairness und Transparenz nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist – und lädt dabei zum Dialog und Nachahmung ein.
Das Unternehmen
Die Metzgerhuus Stadt und Land AG wurde von fünf Metzgerfamilien gemeinsam mit dem Metzgermeisterverband beider Basel, der Genossenschaft Basler Metzger sowie dem Hof Weber Neuhof gegründet. Im Frühsommer 2025 konnte der Neubau feierlich eröffnet werden.
Das Schlachthaus in Füllinsdorf ist Teil eines kantonalen PRE-Projekts für regionale Entwicklung und verfolgt das Ziel, die Wertschöpfung in der Region zu halten. Weil Schlachtbetriebe schweizweit immer stärker zentralisiert und vergrössert werden, fehlte in der Grossregion Basel seit Jahren ein Schlachthaus, das allen regionalen Metzgereien und Bauern offensteht.
Das Metzgerhuus setzt bewusst einen anderen Schwerpunkt: Nicht Masse, sondern Nähe. Im Mittelpunkt steht die Verarbeitung von Tieren aus der Region – mit kurzen Transportwegen, wovon sowohl die Umwelt als auch das Tierwohl profitieren. Geplant ist zudem die Annahme von Tieren aus Weide- und Hoftötung, die besonders in der Direktvermarktung gefragt sind.
Die Schlachtungen erfolgen unter zeitgemässen, kleingewerblichen Bedingungen. In der angeschlossenen Fleischwerkstatt wird das Fleisch nach individuellen Kundenwünschen zerlegt. Für Privatkunden steht ein rund um die Uhr geöffneter Selbstbedienungsladen bereit (an gewissen Tagen ist auch ein Fachmetzger präsent). Im Laden werden neben Fleisch auch Milchprodukte, Eingemachtes und Trockenprodukte angeboten – allesamt im Baselbiet verarbeitet und aus regionalen Rohstoffen hergestellt.
Für Metzgereien und Gastronomiebetriebe bietet das Metzgerhuus Mehrwerte durch regionale Spezialitäten, besondere Zuschnitte und massgeschneiderte Angebote. Auch die Landwirtschaft profitiert: Dank attraktiver Lohnverarbeitung können Direktvermarkter ihre Produkte bereits in Kleinstmengen in hoher Qualität anbieten. Zwar liegen die Schlachtkosten über jenen grosser Schlachtbetriebe, doch die kurzen Transportwege machen das Metzgerhuus wiederum konkurrenzfähig. Von überall im Kanton Baselland ist Füllinsdorf in maximal 30 Minuten erreichbar – ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber den Grossschlachthöfen.
Das Metzgerhuus beschäftigt 15 Mitarbeitende und verfügt über eine wöchentliche Schlachtkapazität von rund 30 Rinder, 30 Kälber, 100 Schweine und 20 Schafe. Gemeinsam mit dem Schweizer Tierschutz wurde das Layout des Gebäudes entwickelt, um den Tieren eine möglichst stressfreie Umgebung zu bieten.
Fairness & Transparenz im Geschäftsalltag
Das Metzgerhuus ist überzeugt, dass kurze Lieferketten eine grosse Chance für fairere und transparentere Wertschöpfungsketten und Handelsbeziehungen bieten. Für die Initianten des neu gegründeten Unternehmens stehen eine offene Kommunikationskultur und langfristige Partnerschaften im Vordergrund. Es sollen keine einseitigen Machtstrukturen und Abhängigkeiten entlang der Lieferkette entstehen.
Auch gegenüber der Bevölkerung wird eine transparente Informationspolitik gepflegt – etwa durch Informationsanlässe und Betriebsführungen. Die meisten Arbeitsschritte – mit Ausnahme der Tötung – können durch grosse Fenster direkt in die Produktion hinein beobachtet werden.
Der Fokus auf Regionalität wirkt sich unmittelbar auf Nachhaltigkeit und Tierwohl aus. Die Transportwege für das Schlachtvieh werden auf ein Minimum reduziert – ein klarer Vorteil gegenüber den zentralisierten Schlachtzentren im Mittelland. Alle Tiere erfüllen mindestens den IP-Suisse-Standard mit Auslaufhaltung und/oder Weidezugang; auch Bio-Tiere werden geschlachtet. Die kurzen Lieferketten verbessern zudem die CO₂-Bilanz. Ein weiterer ökologischer Meilenstein ist die Energieversorgung: So deckt das Metzgerhuus zum Beispiel seinen Bedarf zu 100 % mit Strom aus eigener Solarproduktion an Fassade und Dach. Besonders wichtig ist ihnen auch die Ganztier-Verwertung (nose to tail): Jedes Tier wird möglichst vollständig genutzt.
Faire Marktbedingungen & Preisbildung
Die Geschäftsführung des Metzgerhuus legt grossen Wert auf das Funktionieren des Marktes, in dem die Nachfrage gesichert und Risiken minimiert werden. Anstelle von fixen Jahrespreisen werden die jeweils aktuellen wöchentlichen Schlachtviehpreise von Proviande ausbezahlt – ergänzt durch die entsprechenden Labelzuschläge wie IP-Suisse oder Bio.
Die Wertschöpfungskette bleibt dadurch wettbewerbsfähig: Für die Metzgereien entstehen bei der Verarbeitung im Metzgerhuus keine höheren Kosten als bei der Eigenverarbeitung. Die Verarbeitungszuschläge bewegen sich je nach Tierart und Schnitt zwischen 60 Rappen und 4 Franken pro Kilogramm Schlachtgewicht. Damit bietet das Metzgerhuus eine faire und zugleich wirtschaftliche Alternative zu industriellen Grossbetrieben. Dies ist vor allem auch dank den kurzen Wegen und schlanken Strukturen möglich, die die Kosten erheblich senken.
Ein zentrales Prinzip ist die Preiskalkulation von unten nach oben: Auf jeder Stufe werden die tatsächlich anfallenden Kosten transparent ausgewiesen und berücksichtigt. So entsteht eine faire Entschädigung für alle Beteiligten – vom Landwirt bis zum Metzger. Dieses Modell stärkt das Vertrauen zwischen Produzenten, Verarbeitern und Konsumenten und zeigt, dass wirtschaftliche Effizienz und Fairness im Metzgerhuus Hand in Hand gehen können.
Herausforderungen
Das Metzgerhuus beliefert sowohl Bauern mit Direktvermarktung als auch klassische Metzgereien – zwei Kundengruppen, die teilweise in direkter Konkurrenz zueinander stehen. Diese besondere Ausgangslage erfordert ein hohes Mass an Fingerspitzengefühl, Fairness und Ausgewogenheit, damit keine Seite benachteiligt wird. Ziel ist es, allen Beteiligten dieselben Chancen und Bedingungen zu bieten und so eine nachhaltige Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu ermöglichen.
Eine besondere Herausforderung stellt das Geflügelangebot dar. In der Region Basel kann die Nachfrage derzeit nicht aus eigener Produktion gedeckt werden. Neue Geflügelställe lassen sich aufgrund restriktiver Baubewilligungen kaum realisieren, was den regionalen Ausbau zusätzlich erschwert. Die Firma Jenzer sucht nun Geflügelställe in der Region. Damit könnten nicht nur die Versorgungslücken geschlossen, sondern auch höchste Standards im Tierwohl gewährleistet werden.
Raffael Jenzer ist Geschäftsführer bei der Metzgerhuus Stadt und Land AG. |


Photo: Geschäftsführer Metzgerhuus Raffael Jenzer und Mitarbeiter Finn Henz