Engagement gegen Marktmachtmissbrauch, Fairness-Labelvergleich und nationaler lokal+fair-Tag am 20. September: FMS-Monatsbericht Juni 2025
Im Juni hat Faire Märkte Schweiz den Fall aufgedeckt ‘Coop: Neues Rückvergütungssystem auf Kosten der Bauern’. Erste wettbewerbsrechtliche Abklärungen haben ergeben, dass damit Coop seine Marktmacht missbraucht. Fast zeitgleich hat der Nationalrat bei der Teilrevision des Kartellgesetzes das missbräuchliche Verhalten marktmächtiger Unternehmungen begünstigt. Welch ein Widerspruch! Wir berichten unten ausführlich darüber, wie mit diesen Beschlüssen die Arbeit für Faire Märkte eingeschränkt werden könnte. Wie enorm der Handlungsbedarf für die Wettbewerbskommission in den Agrar- und Lebensmittelmärkten ist, zeigen wir anhand eines aktuellen Beispiels zweier Mühlen im Tessin auf, wie durch unscheinbare Partnerschaften im Rahmen einer Marktbereinigung der Wettbewerb ausgeschaltet werden kann. Ausserdem berichten wir über unseren neuen Fairness-Labelvergleich. Mit dieser Analyse schafft FMS eine solide Grundlage, wie die Themen von Fairness und Transparenz in den Nachhaltigkeits-Labels sowie Herkunfts- und Qualitätsstandards abgebildet sind. Die Ergebnisse sind ernüchternd!
Im Fokus
Coop: Neues Rückvergütungssystem auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern
Nachdem sich im April mehrere Gemüse-, Früchte- und Beerenlieferanten von Coop auf der Meldestelle von Faire Märkte Schweiz gemeldet haben, wurde eine wettbewerbsrechtliche Vorabklärung gestartet. Anlass war eine neue „Konditionenvereinbarung“ der Coop Genossenschaft, die auf eine missbräuchliche Ausnutzung ihrer Marktmacht hindeutet (vgl. Medienmitteilung). Gemäss dieser Vereinbarung sollen Lieferanten ab Mai 2025 einen Teil ihres Umsatzes als sogenannten „Bonus“ an Coop zurückzahlen – zunächst 1 % in der Verteilregion Bern, ab Januar 2026 schweizweit sogar 3 %. Diese neuen Bedingungen wurden einseitig durch Coop vorgegeben, ohne echte Verhandlungsmöglichkeit für die betroffenen Unternehmen.
Für die Produzentinnen und Produzenten, die ohnehin unter tiefen Margen leiden, bedeutet dies zusätzlichen Druck. Der geschätzte Schaden beläuft sich auf rund 8 Millionen Franken jährlich. Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten in andere Absatzkanäle gibt es keine wirklichen. Coop begründet die Änderungen mit einem neuen Bestellsystem, das angeblich die Abläufe für Lieferanten vereinfacht. Die Produzenten widersprechen dem jedoch deutlich. Aus ihrer Sicht führt insbesondere der Einsatz von künstlicher Intelligenz zu noch schärferem Preiswettbewerb – und damit zu weiter sinkenden Produzentenpreisen.
Nach dem Scheitern einer einvernehmlichen Lösung mit Coop hat Faire Märkte Schweiz deshalb eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission (Weko) eingereicht (vgl. Artikel Tagesanzeiger).
Kurzmeldungen
Fairness-Labelvergleich: viele Lebensmittel-Labels fallen durch
Die neue Analyse von 28 Schweizer Nachhaltigkeits-Labels sowie Herkunfts- und Qualitätsstandards von Faire Märkte Schweiz zeigt deutlich, dass Fairness in vielen Fällen noch unzureichend verankert ist. Ohne klare und verbindliche Leitplanken bleibt der Begriff vage – mit spürbaren Folgen für Marktgerechtigkeit, Preisstabilität und die Zukunft bäuerlicher Betriebe (vgl. Artikel u.a. 20 Minuten). Deshalb braucht es jetzt einen breit getragenen Dialog über faire Bedingungen in der Schweizer Landwirtschaft sowie glaubwürdige, transparente und klar verständliche Anforderungen für ein “Fairtrade” im Schweizer Kontext. Aspekte wie Preisgestaltung, Markttransparenz, verlässliche Vertragslaufzeiten und Planungssicherheit müssen verbindlich geregelt werden, damit Fairness nicht nur ein Anspruch bleibt, sondern messbar und wirksam wird. Nur wenn soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit ebenso ernst genommen werden wie ökologische Nachhaltigkeit, kann ein zukunftsfähiges Ernährungssystem entstehen – für alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette.

Sommersession: Nationalrat schwächt Kartellrecht
Der Nationalrat hat bei der Teilrevision des Kartellgesetzes beschlossen, die Hürden für das Eingreifen bei unzulässigen Wettbewerbsabreden und bei unzulässigen Verhaltensweisen marktbeherrschender und relativ marktmächtiger Unternehmen zu erhöhen (vgl. hier). Die Wirtschaftsverbände wie Economiesuisse wollen damit zur alten Kartellwirtschaft zurückkehren. Erstaunlich ist, dass sich das Gros des Gewerbeverbandes und der Schweizer Bauernverband in dieses «Päckli» einbinden liessen, obwohl dadurch marktmächtige Unternehmen künftig noch ungehinderter Missbrauch betreiben können zum Nachteil von Bäuerinnen und Bauern, Kleingewerbe und der Konsumierenden. Dadurch wird es schwieriger, die Missbräuchlickheit nachzuweisen, was die Arbeit von FMS erschweren würde. Wie das obige Beispiel mit der Anzeige gegen Coop (vgl. hier) darlegt, dürfte es zukünftig noch schwieriger werden, dass die Weko auf eine Anzeige eingeht.
Mit dem Lobbying – in Koordination mit den Konsumenten-Organisationen und Verbänden aus Tourismus, Gastronomie und dem Bäckergewerbe – hat FMS v.a. das Gespräch mit den Parlamentarierinnen und Parlamentariern der Landwirtschaft gesucht und einige davon überzeugen können. Dies reichte nicht für einen Stimmungsumschwung. Der Ständerat ist nun gefordert, diesen gefährlichen Kurs zu korrigieren.
Schulterschluss zweier Mühlen im Tessin: Wettbewerbsrechtlich problematisch
Im Tessin hat sich unter dem Deckmantel einer «Partnerschaft» ein Mühlen-Kartell gebildet (vgl. hier). Zwei unabhängige Unternehmen teilen sich den Kanton auf, es gibt praktisch keine marktbelebende Konkurrenz mehr. Neben den Bäckerinnen und Bäckern sind auch die vielen kleinen Betriebe im Tessin betroffen, die hochwertiges Getreide anbauen. Sie sind auf regionale Mühlen angewiesen, um ihr Getreide zu verkaufen. Faire Märkte Schweiz beobachtet diese Entwicklung mit Sorge und fordert, dass die Regeln für fairen Wettbewerb eingehalten und Bäckereien sowie kleine Produzenten geschützt werden. Eine Beschwerde bei der Wettbewerbskommission wird geprüft. Auch dieser Fall zeigt, wie enorm der Handlungsbedarf ist und wie schädlich die Entscheide des Nationalrates sein können, wenn die Hürden für das Eingreifen bei unzulässigen Wettbewerbsabreden und bei unzulässigen Verhaltensweisen erhöht werden.
Crowdfunding Pudelwohl
‘Pudelwohl – Laden und Kafi’ will sich neu aufstellen: Als Genossenschaft mit 24/7-Zugang für Mitglieder, fairen Löhnen und kurzen Wegen zu regionalen Bio-Produkten. Ziel: die regionalen Klein- und Familienproduzierende, welche die regionale Lebensmittelversorgung sicherstellen, zu unterstützen und ihnen faire Preise zu zahlen. Für den Umbau und die IT-Lösung läuft jetzt ein Crowdfunding. Unterstützen Sie ein enkeltaugliches Ernährungssystem – lokal, regenerativ, fair! → https://www.lokalhelden.ch/pudelwohl-2-0 .
Der Bioladen Pudelwohl macht auch bei lokal+fair mit: https://lokalundfair.ch/hofe-und-restaurants/bioladen-pudelwohl/
Save the Date: Nationaler lokal+fair-Tag am Samstag, 20. September 2025
Der Höhepunkt des lokal+fair-Jahres steht bevor! Tragen Sie sich den Samstag, 20. September 2025, in die Agenda ein. lokal+fair-Betriebe in der ganzen Schweiz öffnen ihre Türen und laden dazu ein, mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, Neues kennenzulernen und Lebensmittel aus der Region zu entdecken. Weitere Infos auf der lokal+fair-Webplattform.

lokal+fair-Betrieb: Kreisladen Küsnacht
Die Lebensmittel, die Mariska Wieland und ihr Team ins Sortiment im Kreisladen Küsnacht aufnehmen, werden mit grosser Sorgfalt ausgewählt – was man im Laden bereits beim Eintreten spürt. Wann immer möglich werden Produkte von regionalen Produzenten bevorzugt, damit sie so frisch wie möglich und ohne lange Transportwerge in den Laden gelangen. Im persönlichen Kontakt mit den Lieferanten wird viel Wert auf Transparenz und Authentizität gelegt. Viele Produkte werden unverpackt oder in retournierbaren Gefässen angeboten. Neben tollen Lebensmitteln bietet der Kreisladen auch eine ansprechende Auswahl an natürlichen Pflege-, Reinigungs- und Haushaltsprodukten sowie ausgewählte Geschenkideen. Zudem wird täglich eine feine Selektion an kalten und warmen Take-Away Speisen offeriert. Grossen Wert wird auf die persönliche Bedienung, Beratung und eine angenehme Stimmung im Laden gelegt – damit das Einkaufen für alle Freude bereitet.
