Neue Untersuchung zeigt: längst fällige Systemkorrekturen würden Bauern Einkommensverbesserungen in Millionenhöhe verschaffen
In der Schweiz erhalten Landwirte einen unverhältnismässig kleinen Anteil des Brotpreises für ihre Getreideproduktion. Den Produzentinnen und Produzenten entgehen daher finanzielle Mittel. Nutzniesser sind vor allem wenige Grossbetriebe in Verarbeitung und Handel. Das zeigt eine erstmals durchgeführte Untersuchung von Faire Märkte Schweiz (FMS). FMS stellt nun Systemkorrekturen vor, wie Mittel, die heute aus der Landwirtschaft abfliessen, den Produzentinnen und Produzenten zugutekommen könnten.
Herr und Frau Schweizer kaufen fast täglich Brot ein. Beim Detailhändler, in der Bäckerei, oder auf die Hand als Sandwich zwischendurch. Rund 51 Kilo Brotprodukte konsumiert ein Schweizer Privathaushalt jährlich 1. Was vielen wohl nicht bewusst ist: Dass von ihrem Geld fürs Gipfeli oder das Ruchbrot fast nichts an den Landwirt geht. Gerade einmal 7 Prozent des Verkaufspreises bekommen die Bauern. Den Bauern entgehen finanzielle Mittel, die weitgehend an wenige Grossbetriebe in Verarbeitung und Handel fliessen, welche vom System profitieren. Dies zeigt die heute publizierte Systemanalyse von Faire Märkte Schweiz.
Denn: In den Agrar- und Lebensmittelmärkten der Schweiz sind in den letzten Jahrzehnten Marktstrukturen entstanden, die von den zwei marktmächtigen Unternehmungen Migros und Coop und mit diesen liierten grossen Verarbeitungsbetrieben dominiert werden. Es herrscht faktisch ein Duopol, dessen Auswirkungen in der kleinräumigen Schweiz mit hohem Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte äusserst gravierend sind. Im Brotgetreidemarkt sind diese Strukturen besonders schädlich.
Bauern in der Schweiz erhalten nicht genug vom Verkaufspreis, um ihre Existenz sichern zu können
Die Untersuchung zeigt auch, dass die Einkommen der Landwirte erheblich verbessert werden könnten. Das Total der Erlös- und Einkommens-Verbesserungen für die Produzentinnen und Produzenten beträgt bis zu 15 Mio. Franken.
Mehr Geld von dem, was die Menschen in der Schweiz im Laden für Lebensmittel ausgeben, an die Bauern ist dringend nötig. Um der schlechten Entwicklung entgegenzuwirken, fordert der Schweizer Bauernverband eine Erhöhung der Produzentenpreise zwischen 5 und 10 Prozent. Die Bezahlungen höherer Produzentenpreise ist eine Möglichkeit, die von FMS mit dem Preismonitor immer wieder thematisiert wird.2
Ein anderer Weg besteht darin, Systemanpassungen vorzunehmen, damit die Märkte nicht zu Ungunsten der Produzentinnen und Produzenten ausgestaltet sind beziehungsweise Mittel aus der Landwirtschaft an Systemprofiteure abfliessen, etwa Grossmühlen, grosse Verarbeitungsbetriebe und die Grossverteiler. Studien belegen, dass heute erhebliche Ungleichgewichte in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette bestehen. Diese Ungleichgewichte führen zu einem Mangel an fairem Wettbewerb.
Von diversen Massnahmen können Landwirtschaft und KMU-Mühlen profitieren
Die Erlös- und Einkommensvorteilen kommen einerseits von der Steigerung der Wertschöpfung mit höheren Absatzmengen durch die Substituierung von bis anhin zollfrei importiertem Weizen. Andererseits würden die Bäuerinnen und Bauern von höheren Getreidepreisen profitieren, weil ihnen heute grosse Abzüge für Marktentlastungsmassnahmen gemacht werden. Dabei muss die intransparente und wenig nachvollziehbare Berechnungsgrundlage in Frage gestellt werden. FMS liegen starke Hinweise vor, dass die von den Mühlen dem BLW gemeldeten Mehlpreise mutmasslich überhöht sind und von den effektiven Mehlpreisen bis zu CHF 15.- abweichen können. Als letzte Massnahme für bessere Einkommen in der Landwirtschaft wird vorgeschlagen, die Kosten für den Export von Schweizer Getreidegrundstoffen drastisch zu reduzieren, weil diese von den Produzentinnen und Produzenten bezahlten werden und letztlich vor allem. die grossen Verarbeitungsbetriebe profitieren.
Doch auch die KMU-Mühlen profitieren von den Systemverbesserungen. Die Grossmühlen und grosse exportierende Verarbeitungsbetriebe können heute durch die Systemfehler ihre Betriebe besser auslasten und deshalb die KMU-Mühlen mit Tiefpreis-Offerten unterbieten. Hauptprofiteure sind vor allem Swissmill (Mühle von Coop) und Groupe Minoteries, die gemäss Mühlenstatistik zusammen einen Marktanteil von 62% haben.
Sektoruntersuchung bei der Weko
Das heutige System mit den Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen zulasten der Landwirtschaft und KMU-Mühlen kann gemäss Analyse nicht als fair bezeichnet werden. Es findet eine Verschiebung der Wertschöpfung zu Gunsten weniger Marktakteure auf den nachgelagerten Marktstufen statt. Das Zugeständnis der Getreideproduzenten an die nachgelagerten Wertschöpfungsstufen ist mit zu hohen Kosten verbunden. Letztlich sind davon auch die Konsumentinnen und Konsumenten betroffen.
Faire Märkte Schweiz, die letzten Mai neu gegründete Fairness- und Wettbewerbs-Organisation, will handeln. Es sei angezeigt, die auf dem Markt für Getreide, insbesondere für Backmehl, vorhandenen Systemfehler bzw. Wettbewerbsverzerrungen mittels einer Sektoruntersuchung kartellrechtlich abzuklären, so FMS-Präsident Stefan Flückiger.
Die Systemanalyse zum Download hier.
- www.blw.admin.ch/blw/de/home/markt/marktbeobachtung/brot-und-getreide.html. Die Absatzmenge ist, unter Ausschluss der Pandemiejahre, steigend. ↩︎
- https://fairemaerkteschweiz.ch/forschung/#studien ↩︎