Monatsbericht Oktober 2024
Gibt es in der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft eine «Streitkultur»? Wir gehen im Hauptbeitrag unten darauf ein. In den Kurzmeldungen berichten wir über unseren Brief an die Migros zur Verantwortung in der Tiefpreispolitik und machen erfreuliche Ankündigungen von Projekten, die wir in den folgenden Wochen publizieren werden. Positives auch aus Bern. Und: Als Partnerbetrieb von lokal+fair stellen wir heute Zwibol vor, den genossenschaftlich geführten Bio-Laden mit Bistro in Wädenwil.
Im Fokus
Gibt es eine «Streitkultur» in der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft?
FMS schafft Transparenz, bringt Licht in so manche Blackbox entlang der Wertschöpfungsketten und vermeidet die Auseinandersetzung nicht. Kein Moralismus, sondern die kritische Hinterfragung von Märkten. Wir sind unabhängig und können Dinge ans Tageslicht bringen, die andere aus Angst vor negativen Konsequenzen nicht aussprechen können. Gemäss unseren Statuten verfolgen wir das Ziel, einen förderlichen Wettbewerb im Interesse aller Akteure, insbesondere auch der schwächeren Vertragspartei, sicherzustellen und letztlich die Transformation hin zu nachhaltigeren Märkten zu ermöglichen.
Die Frage ist nun, wie innerhalb der Branchen auf unsere Transparenzarbeiten reagiert wird. Können die adressierten und kritisierten Akteure mit unseren fundierten Argumenten respektvoll umgehen? Will man eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe führen? Unsere Erfahrung in den ersten 15 Monaten zeigt auf: Diese Transparenzschaffung ist dringend nötig, denn sie fehlt zumeist – und wird aktiv unterdrückt. Eine Streitkultur fehlt! Dabei ist diese nötig, um zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Heikle Themen sind vom heutigen Markt-Etablishment nicht erwünscht. Die FMS-Doppelstrategie «Druck» und «Dialog» benennt offensichtlich unangenehme und damit umso wichtigere Themen. Besonders, dass die Öffentlichkeit dank FMS inzwischen Druck macht, gefällt nicht allen. Ein Verbandsmanager ist mit einem Zitat so weit gegangen, dass FMS «die einzelnen Wertschöpfungsstufen gegeneinander ausspielen» wolle – so heisst das also, wenn die Marktmächtigen nicht mehr im stillen Kämmerlein die Schwächeren unter Druck setzen können?
Wir stellen fest: Die Themen «Marktmacht» und «Marktversagen» werden noch zu wenig beleuchtet. Das ist falsch: Fair gestaltete Märkte sind Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft in unserem Land, für sichere Bedingungen in Produktion und Lieferketten und für eine nachhaltige Versorgung. Wichtig zu wissen: Marktmacht ist nicht per se schlecht. Hingegen wird sie in vielen Fällen von den Unternehmungen dazu eingesetzt, ihren Einfluss auf die Preisbildung zu missbrauchen. Dort wird FMS aktiv und hinterfragt die subtilen Machtstrukturen, die einerseits hohe volkswirtschaftliche Schäden anrichten und andererseits innovative Entwicklungen wie z.B. den Wandel zu mehr nachhaltigen und tiergerechten Produkten blockieren.
Zum Thema «Marktversagen» ist an die Adresse der Markt-Turbos zu vermerken, dass Märkte in vielen Fällen überfordert sind und einen funktionierenden Wettbewerb nicht sicherstellen können. Überall dort, wo sich der Staat zu weit zurückgezogen hat, ist eine effiziente Regulierung notwendig. Auf dem politischen Weg hat FMS in jüngster Vergangenheit verschiedene Vorstösse lanciert, in denen der Staat an zentralen Schnittstellen seine Rolle übernehmen muss.
Wir fordern daher die adressierten Unternehmungen und Verbandsspitzen auf, die FMS bei seiner Arbeit zurückbinden wollen – obwohl wir von Bauern aus deren Basis über unsere Meldestelle immer wieder zu mehr Transparenz aufgefordert werden – eine konstruktive Streitkultur zu praktizieren und mit uns als Vertreter der schwächeren Vertragspartei den konstruktiven Dialog zu führen.
Kurzmeldungen
Erfreuliches aus Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N)
Wir haben im September-Newsletter (zu lesen hier) berichtet, dass der Ständerat eine von FMS unterstützte Transparenzvorlage verworfen hat. Nun nimmt eine Parlamentarische Initiative einen neuen Anlauf und fordert ebenfalls eine wirksame Preisbeobachtung in der Lebensmittelkette (PaIv 22.477). Die WAK-N hat diese vor Kurzem mit 20 zu 3 Stimmen deutlich angenommen, die in der Schwesterkommission im Ständerat noch knapp abgelehnt wurde. Sehr positiv ist auch, dass die WAK-N die parlamentarische Initiative «Referenzpreise zum Schutz der landwirtschaftlichen Produktion» (24.414) mit 19 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen überaus klar gutgeheissen hat. Die Initiative wird dazu führen, ein besseres Gleichgewicht zwischen den Produzenten und ihren Abnehmern herzustellen und über die ganze Produktionskette hinweg Verzerrungen zu beheben.
Migros in der Verantwortung – neue Tiefpreispolitik und offener Brief
Die Migros kündigte am Montag Preissenkungen für 1000 Alltagsprodukte und ein verbessertes Frischeerlebnis in ihren Supermärkten an und versicherte, dass dies nicht zulasten der Produzentinnen und Produzenten gehen wird. Faire Märkte Schweiz wird diese Entwicklung genau beobachten und fordert, dass die Migros ihre Verantwortung als grösste Anbieterin von Schweizer Produkten wahrnimmt und sich für eine faire Wertschöpfungsverteilung entlang der gesamten Lieferkette einsetzt. In einem offenen Brief appelliert FMS an die Migros, aktuell auf Brotpreiserhöhungen zu verzichten und sich über ihre Lieferanten für Preisverbesserungen bei den Produzenten einzusetzen, insbesondere in diesem schlechten Erntejahr im Getreide mit bis zu einem Drittel tieferen Erträgen. Aufgrund der Marktmacht-Verhältnisse konnten sich die Produzenten in den letzten Jahren immer weniger am Endverkaufspreis von Brot und Backwaren beteiligen – so beträgt der Produzentenanteil aktuell noch 7%. Der FMS fordert die Migros deshalb auf, ihrer grossen Verantwortung im Lebensmittelmarkt auch auf Produzentenseite nachzukommen und sich für die obigen Anliegen im Sinne der Schweizer Getreideproduktion zu engagieren.
Ankündigung neueste Veröffentlichung Preismonitor
Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) hat im Auftrag von FMS das dritte Mal in Folge die Preispolitik der Grossverteiler Migros und Coop sowie der Discounter Aldi und Lidl im Rahmen des Projekts Preismonitor untersucht. Aufschlussreich sind besonders die aktuellsten Ergebnisse betreffend Differenzen zwischen den Konsumenten- und Produzentenpreisen bei Bioprodukten und konventionellen Produkten. Neu hinzugekommen ist zudem die Untersuchung von Fleischprodukten mit dem IP-Suisse Label. Bleiben Sie gespannt!
Ankündigung Weiterentwicklung Self-Check Gewerbe
FMS veröffentlichte im Frühjahr 2024 einen Self-Check-Fragebogen, mithilfe dessen Landwirtinnen und Landwirte ihre Situation betreffend Fairness in Vermarktung und Preisbildung evaluieren können. Aktuell wird der Fragekatalog überarbeitet mit dem Ziel, neu die gesamte Wertschöpfungskette inklusive verarbeitendem und handelndem Gewerbe sowie Gastronomiebetriebe bewerten zu können. Auch die Auswertung soll weiterentwickelt werden. Zudem wird der Kriterienkatalog parallel in einer Pilotphase mit Betrieben aus diversen Branchen getestet.
Lokal+fair-Betrieb im Schaufenster: Zwibol Wädenswil
In diesem Monatsbericht stellen wir den lokal+fair-Betrieb Zwibol in Wädenswil – «offen, bio, regional» – vor. Ob als Gast oder Mitglied, bei Zwibol lässt sich lokal und fair einkaufen, essen und geniessen. Zwibol ist Laden, Bistro und Treffpunkt in einem. Mit einem Anteilschein von 200 CHF kann man Teilhaber werden und von exklusiven Vorteilen profitieren: 24-Stunden-Zugang und, beim Abo Ladenmitglied, bis zu 25 % Rabatt: www.zwibol.ch. Zwibol in Wädenswil bietet nachhaltiges Geniessen und Einkaufen für alle, flexibel – und auch noch ohne Verpackungsmüll: Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, eigene Gefässe mitzubringen oder vor Ort auszuleihen. Wo? Seestrasse 105, 8820 Wädenswil.
lokal+fair-Betrieb: Zwibol Wädenswil. Von rechts nach links: Karin Hüppi, Präsidentin der Genossenschaft Zwibol; Claudia Bühlmann, Vizepräsidentin der Genossenschaft Zwibol; Stefan Flückiger, Präsident Faire Märkte Schweiz. Photo: Ursi Höhn