Fachreplik: Transformation der Migros – Tiefpreispolitik wirft Fragen auf
Autorin: Stéphanie Lichtsteiner, Co-Geschäftsführerin und Projektleiterin Faire Märkte Schweiz
Die Migros kündigte gestern eine bedeutende Preissenkung für rund 1000 Alltagsprodukte an und plant dafür 500 Millionen Franken zu investieren. Auf den ersten Blick eine erfreuliche Entwicklung für Konsumentinnen und Konsumenten, vor allem angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten.
Während Migros-Kundinnen und Kunden von sinkenden Preisen und optimierten Frische-Ketten vom Produzenten bis in die Filialen profitieren werden, bleiben viele Details über die Kosten- und Risikoverteilung auf Seiten der Lieferanten unklar. Die Migros versichert, dass die Preissenkungen nicht zulasten der Produzentinnen und Produzenten umgesetzt werden. Doch wie realistisch ist es, Kosteneinsparungen dieser Grössenordnung ohne Druck auf die Lieferanten zu realisieren? Und welche Konsequenzen könnte die verstärkte Förderung von Eigenmarken auf die Vielfalt der Anbieter und den Wettbewerb im Schweizer Lebensmittelmarkt haben?
Die langfristigen Auswirkungen einer solchen Preispolitik verdienen besondere Beachtung. Kurzfristig profitieren die Konsumenten, doch faire und nachhaltige Marktbedingungen erfordern mehr als günstige Preise. Faire Märkte Schweiz setzt sich daher nicht nur für angemessene Produzentenpreise, sondern für eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung entlang der gesamten Lieferkette ein. Es ist entscheidend, dass das Versprechen, Preissenkungen nicht auf die Produzentinnen und Produzenten abzuwälzen, auch wirklich eingehalten wird. Als grösste Anbieterin von Schweizer Produkten trägt die Migros eine besondere Verantwortung, eine Preisstrategie zu verfolgen, die die realen Kosten und Risiken über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg berücksichtigt. Im Interesse einer nachhaltigen Produktion und hoher Qualitätsstandards mahnt auch der Schweizer Bauernverband, dass „nur eine rentable Produktion auch eine nachhaltige Produktion ist.“ Faire Märkte Schweiz unterstützt dies und fordert darüber hinaus mehr Transparenz entlang der gesamten Lieferkette.
Die Marktmacht des grössten Abnehmers von landwirtschaftlichen Produkten in der Schweiz ruft auch nach Verantwortung, um Entwicklungen in die richtige Richtung zu bewegen und sie im Sinne der (landwirtschaftlichen) Produzentinnen und Produzenten einzusetzen.
Stéphanie Lichtsteiner ist seit Mitte August Co-Geschäftsführerin und Projektleiterin von Faire Märkte Schweiz. Stéphanie führt unter anderem den Kompetenzbereich Transparenz entlang von Wertschöpfungsketten, entwickelt Projekte zur Förderung fairer Handelspraktiken in der Schweiz mit und stärkt die Schaffung von Allianzen und Netzwerken. Sie verfügt über einen Master of Science in Sustainable Development und über vertiefte Branchenkenntnisse, unter anderem durch den täglichen Austausch in Bezug auf Handelspraktiken in den Lebensmittelmärkten sowie die Preisbildung im Labelbereich als langjährig leitend Tätige beim Online-Lebensmittelhändler Farmy oder zuvor beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) oder beim Konsumentenschutz – und durch ihre Arbeit jetzt beim FMS. |
Hier geht’s zum offenen Brief von FMS an die Migros zur Tiefpreispolitik