Die Tiefpreispolitik im Schweizer Brotmarkt mit dem Preis von 99 Rappen für das Pfünderli Brot zeigt das strukturelle Marktversagen im Brotmarkt deutlich auf. Der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) verlangt nun von Politik und Behörden rasch konkrete Schritte. Die unfaire Marktsituation ist zu entschärfen – und zwar bevor weiterer Schaden entsteht, indem gewerbliche Betriebe aus dem Markt gedrängt oder zusätzlicher Druck auf die inländischen Getreidepreise entsteht.
Die medienwirksame Preissenkung von Aldi Suisse – 500-Gramm-Brote für 99 Rappen – hat heftige Reaktionen im Markt und insbesondere im Bäckereigewerbe ausgelöst. Auch in der Gesellschaft sind Fragezeichen aufgekommen, wie solch grosse Preisdifferenzen zwischen einem gewerblich und industriell hergestellten Brot möglich sind. Aus Sicht von Faire Märkte Schweiz (FMS) sind die eklatanten Diskrepanzen nicht nur Symptome von zwei ganz verschiedenen Herstellungsverfahren, sondern vor allem des strukturellen Marktversagens und von missbräuchlichem Verhalten im Brotmarkt.
Der Verein hat daher heute bei der Wettbewerbskommission (WEKO) eine umfassende Untersuchung der Marktverhältnisse eingefordert betreff der neuen Hinweise auf wettbewerbswidrige Absprachen und missbräuchliche Verhaltensweisen im Brotmarkt. Ziel ist, die Missstände mittels Sektoruntersuchung im Getreide-, Mühlen- und Backwarenmarkt zu beenden.
Unzulässige Preisabreden und Missbrauch marktbeherrschender Positionen
Das Vorpreschen eines Discounters und das unmittelbare Nachziehen der beiden Grossverteiler Migros und Coop bringen Licht in die verzerrten Marktmechanismen in den Schweizer Lebensmittelmärkten: Durch ihre marktbeherrschende Position mit Marktanteilen von rund 80% (inkl. Migros Unternehmung Denner) im Lebensmittelmarkt und ihre stark vertikal integrierten Strukturen – unter anderem durch eigene Bäckereien und Mühlen kontrollieren sie weite Teile der Wertschöpfungskette und beschränken damit sowohl den Mengen- als auch den Preiswettbewerb.
Das wettbewerbsbeschränkende Verhalten von Migros und Coop wird durch die gleichläufige Preissetzung offensichtlich: bisher beide bei 1.15/500g pro Pfünderli. Bei einer punktuellen Unterbietung eines Discounter sind beide nahezu gleichzeitig und flächendeckend auf den Preis von einem Franken nachgezogen. Damit missbrauchen sie ihre Stellung auf dem Markt und behindern oder diskriminieren andere Unternehmen. Gezielt drängen sie damit andere Akteure und vor allem. die gewerblichen Bäckereien aus dem Markt.
Kartellierte Strukturen im Brotmarkt – Sektoruntersuchung erforderlich
Es kann festgehalten werden: Die Preissenkungen der dominanten Detailhändlern sind keinesfalls marktbedingt, sondern eine strategisch koordinierte Reaktion auf die rechtlich fragwürdigen Billigpreise von “Oligopol-Aussenseitern”. Diese bewusste Entkopplung von realen Produktionskosten und Verkaufspreisen wird insbesondere von den marktbeherrschenden Akteuren praktiziert. Dies untergräbt das Vertrauen in eine faire und funktionsfähige Preisbildung.
Die jüngsten Entwicklungen bestätigen die von FMS bereits seit längerer Zeit vorgebrachten und bei der Weko deponierten Verdachtsmomente. Im Lichte der breit dokumentierten Marktstrukturen (vgl. Anzeige vom 22. Mai 2024) verdichten sich die Anhaltspunkte für Mengen- und Preisabreden sowie für einen systemischen Missbrauch marktbeherrschender Stellungen im Brotsektor. Dies zu Lasten von Produzenten und Konsumentinnen.
Die Politik hat es in der Hand
Grosse Hebelwirkung hätten entsprechende Anpassungen bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen: Bei der derzeit stattfindenden Revision des Kartellgesetzes im Parlament droht sogar die Gefahr, dass die Bildung besonders schädlicher Kartelle noch erleichtert und Regelungen zur relativen Marktmacht aufgeweicht wird. Entschieden wird in der kommenden Wintersession. Ein Lichtblick wäre der von NR Rüegsegger (SVP, Bern) eingebrachte Vorstoss. Er fordert das Instrument einer Sektoruntersuchung, welches ermöglicht, solche strukturelle Wettbewerbsprobleme in bestimmten Branchen sektorweit zu analysieren. Mittelfristig werden vom derzeit vorbereiteten Revisionspaket AP30+ konkrete Pläne erwartet, wie auf die negativen Effekte der Marktkonzentration und den grossen Handlungsbedarf bei den unlauteren Handelspraktiken reagiert werden kann. Letztlich werden dadurch die inländischen Rohstoffpreise weiter unter Druck kommen.



