Marktmachtmissbrauch in der Schweiz: Anzeige bei der WEKO eingereicht
Der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) hat Anzeige bei der WEKO eingereicht. Der Grund für die Anzeige: Der Missbrauch von Marktmacht in der Wertschöpfungskette von Backmehl. Ungerechtfertigte Bereicherungen von marktmächtigen Unternehmungen zu Lasten von Produzenten und Konsumentinnen sollen abgestellt werden.
Haben die wettbewerblichen Missstände im Getreidemarkt, die in den letzten Monaten ans Licht gekommen sind und hohe Wellen geschlagen haben 1, kartellrechtliche Folgen? Das lässt sich nun bejahen: Wie der Verein Faire Märkte Schweiz heute bekanntgibt, hat er aufgrund der herrschenden Gegebenheiten Anzeige erstattet bei der Wettbewerbskommission (WEKO) wegen des vorliegenden Marktmachtmissbrauchs im Schweizer Getreidemarkt. Die auf dem Markt für Getreide, insbesondere für Backmehl, vorhandenen Systemfehler bzw. Wettbewerbsverzerrungen müssen nun mittels einer Sektoruntersuchung kartellrechtlich abgeklärt werden.
Missbrauch von Marktmacht bringt Bauern um Erträge in Millionenhöhe
Denn: Die Schweizer Agrar- und Lebensmittelmärkte sind hoch konzentriert und durch die Anwesenheit marktbeherrschender Unternehmen auf sämtlichen Stufen der Wertschöpfungskette gekennzeichnet. Diese Marktkonstellation begünstigt missbräuchliches Verhalten, insbesondere im Markt für Brotgetreide bzw. Backmehl. Bereits im Februar hatte FMS aufgedeckt, dass die Marktstrukturen von den grossen Verarbeitungsbetrieben sowie den beiden marktmächtigen Unternehmungen Migros und Coop dominiert werden (s.Systemanalyse). Der Marktanteil der beiden Grosshändler beträgt über 80%. Diese Strukturen haben erhebliche Auswirkungen auf die Bäuerinnen und Bauern. Nur 7 Prozent (!) des Verkaufspreises gehen an die Bauern. Längst fällige Systemkorrekturen könnten ihnen Einkommensverbesserungen in Millionenhöhe verschaffen 2. Das Total der Erlös- und Einkommens-Verbesserungen für die Produzentinnen und Produzenten beträgt gemäss Analyse bis zu 15 Mio. Franken.
Die aktuell eingereichte Anzeige von FMS bei der WEKO zielt darauf ab, die bestehenden Marktungleichgewichte und den mutmasslichen Missbrauch von Marktmacht im Schweizer Getreidemarkt zu adressieren. Insbesondere die enge Verflechtung der grossen Einzelhändler mit den Verarbeitungsbetrieben und die damit verbundene Marktmacht gefährden den fairen Wettbewerb und führen zu ungerechtfertigten finanziellen Vorteilen für einige wenige Akteure auf Kosten der Produzierenden und KMU-Mühlen.
«Das heutige System mit den Wettbewerbsverzerrungen und Ungleichbehandlungen zulasten der Landwirtschaft und KMU-Mühlen kann nicht als fair bezeichnet werden», heisst es in der WEKO- Anzeige von Faire Märkte Schweiz. Und weiter: «Es fand und findet eine Verschiebung der Wertschöpfung – genauer der Renten – zu Gunsten weniger Marktakteure auf den nachgelagerten Marktstufen statt. Diese Aneignung von Renten entlang der Wertschöpfungskette Getreide beruhte nicht auf tatsächlichen Effizienz- oder Effektivitätsvorteilen dieser Marktakteure, sondern auf der Ausschöpfung eines als widerrechtlich erkannten Regulierungspotenzials und auf Ausnutzung von Marktmacht. Das mittels Marktmacht erzwungene Zugeständnis der Getreideproduzenten an die nachgelagerten Wertschöpfungsstufe ist mit hohen Kosten verbunden.»
Für Faire Märkte Schweiz ist klar: «Es ist notwendig, die ungerechtfertigten Systemprofite und Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt für Backmehl mittels einer Sektoruntersuchung kartellrechtlich abzuklären.»
Kartellgesetz Die Anwendung des Kartellgesetzes obliegt primär der Wettbewerbskommission und dem Sekretariat (WEKO). Sie sind zuständig für die Bekämpfung von schädlichen Kartellen, die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, die Durchführung der Fusionskontrolle sowie die Verhinderung staatlicher Beschränkungen des Wettbewerbs und des interkantonalen Wirtschaftsverkehrs. Das angezeigte Verhalten betrifft den Missbrauch von Marktmacht und fällt deshalb in die Zuständigkeit der WEKO. Vorabklärungen oder Untersuchungen werden von Amtes wegen auf Begehren Beteiligter oder Anzeiger Dritter durchgeführt. Laut Art. 26 KG werden Vorabklärungen bzw. Untersuchungen von Amtes wegen, auf Begehren von Beteiligten oder auf Anzeige von Dritten durchgeführt. Faire Märkte Schweiz (FMS) ist ein Verein, der sich einsetzt «für fairere und gerechtere Märkte, in denen ein förderlicher Wettbewerb im Interesse aller Akteure, insbesondere auch der schwächeren Vertragspartei, sichergestellt und letztlich die Transformation hin zu nachhaltigeren Märkten ermöglicht wird.» Auf Basis dieser Gegebenheiten reicht FMS als Organisation, die sich im Namen ihrer Mitglieder zur Aufgabe gesetzt hat, unfaires Marktverhalten aufzuzeigen sowie zur Anzeige zu bringen, die referenzierte Anzeige ein. |
- Zur Systemanalyse: Medieninformation – PDF Systemanalyse
- Zum Faktenblatt Motion Knecht
- Bildmaterial: https://fairemaerkteschweiz.ch/downloads/
- FMS-Systemanalyse: Wettbewerbsverzerrungen verhindern höhere Einkommen für die Landwirtschaft – am Beispiel der Brotgetreidemarktordnung – Faire Maerkte Schweiz ; Zollabgabgegesetz: Nationalrat verhindert wettbewerbsschädliche Regelung – Faire Maerkte Schweiz; www.nzz.ch/nzzas/wie-schweizer-mueller-von-verfassungswidrigen-subventionen-profitieren-ld.1760894 ; https://www.blick.ch/schweiz/unfair-gegenueber-den-bauern-vorwuerfe-gegen-coop-muehle-swissmill-id19444912.html; www.tagesanzeiger.ch/grossmuehlen-profitieren-zulasten-der-kmu-gastbeitrag-zum-getreidemarkt-549477837868; www.schweizerbauer.ch/politik-wirtschaft/agrarpolitik/getreide-zoff-niederlage-fuer-grossmuehlen: ↩︎
- Neue Untersuchung zeigt: längst fällige Systemkorrekturen würden Bauern Einkommensverbesserungen in Millionenhöhe verschaffen – Faire Maerkte Schweiz ↩︎