Zürich / Lausanne, 24. Januar 2024 – Mit gesteigerter Effizienz und einem ‘Fitnessprogramm’ will Migros seine Wirtschaftlichkeit verbessern. Stattdessen zeigt sich anhand neuester Ankündigungen nun knallhart: Es trifft jetzt die Labelprogramme und wird somit auf dem Buckel der Bauern – und des Tierwohls – ausgetragen. Migros reduziert den Anteil von IP-SUISSE Schweinen um 10 Prozent, was rund 40‘000 Schweinen entspricht. Die Transparenzorganisation Faire Märkte Schweiz reagiert. Sie fordert die Einhaltung der Nachhaltigkeitsversprechen zugunsten der Labelproduktion.
Grossverteiler sollen ihre Nachhaltigkeitsversprechen für Bio- und IP-SUISSE Produkte einlösen müssen. Und der Staat soll seine Rolle als Regulator aktiver wahrnehmen: Das sind die zwei dringlichen Forderungen von Faire Märkte Schweiz angesichts der Hiobsbotschaft, die heute die Bäuerinnen und Bauern von IP-SUISSE erhalten haben: «Migros will die Bezugsmengen von IP-SUISSE Schweinen rund 10% abbauen.» Vor fünf Jahren lag die Gesamtzahl von Labelschweinen (inkl. Bio) noch bei rund 850‘000 Schweinen. (1) Seither geht diese Zahl ständig zurück. Konkret für IP-SUISSE: Im vergangenen Jahr wurden rund 700’000 tierfreundlich gehalten, also auf Stroh und mit Auslauf ins Freie.
Nun reduziert Migros diese Zahl um rund 40‘000 Schweine, was FMS aus dem Labelanteil von Migros gemäss Labelstatistik 2022 ableitet. Obwohl die Migros mit der neuen Supermarkt AG die Effizienzverbesserungen vornehmlich in den internen Strukturen angehen wollte und kein Label-Abbau stattfinden soll, wie in der Vorwoche in den bäuerlichen Medien angekündigt wurde, zeige sich nun knallhart, dass die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und die Rentabilitätsziele in erster Linie mit mehr konventionellen Standardprodukten und tieferen Einkaufspreisen und somit auf dem Buckel der Produzenten erzielt werden solle, konstatiert Faire Märkte Schweiz (FMS).
Nachhaltige Produkte auch preislich unter Druck
Dabei wären Labelprodukte Teil des nachhaltigen Konsums, die der Bund gemäss der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 massiv ausbauen will. Davon ist man weit entfernt, im Gegenteil, die Entwicklung läuft in vielen Bereichen in eine andere Richtung. Die Produzenten im tierfreundlichen, nachhaltigen Bereich werden benachteiligt und erhalten anteilsmässig ungleich weniger vom Konsumentenfranken als bei konventionellen Produkten. (2)
Auch hinsichtlich Entschädigung der Mehrkosten machen die Abnehmer das Leben der Produzenten immer schwerer. In der IP-SUISSE-Schweinehaltung werden die Mehrkosten im Tierwohl nur zu 91% gedeckt. (3) Dafür öffnet sich die Preisschere im Laden zwischen den konventionellen und nachhaltigen, tierwohlgerechten Produkten immer weiter. Durch die künstlich hohen Verkaufspreise in den Nachhaltigkeitssortimenten wird der Absatz gebremst. (4) «Damit fördern die preisführenden Grossverteiler gezielt die konventionelle Produktion und ihre Tiefpreissortimente und schaden so der Transformation zu einer nachhaltigen Ernährung», so FMS-Präsident Stefan Flückiger.
Weniger tierwohlfreundliche Produkte im Laden
Nun geht die schädliche Entwicklung mit dem heute angekündigten Labelabbau noch einen Schritt weiter, indem der marktführende Grossverteiler die Verantwortung den Konsumentinnen und Konsumenten übertragen will. Für FMS ist klar, dass sich die marktführenden Abnehmer gemäss ihren Versprechen und ihrer Rolle stärker für den Wandel hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen engagieren, die Nachhaltigkeitssortimente zu fairen und attraktiven Preisen anbieten und die Konsumentinnen und Produzenten für die zukunftsweisenden Sortimenten gewinnen müssen.
FMS fordert Eingreifen des Staates als Regulator
Dabei soll es aber nicht bleiben. «Bei einem solchen Marktversagen ist nun auch der Staat als Regulator in der Pflicht», sagt Agrarökonom Flückiger. «Er muss mit entsprechenden Rahmenbedingungen sicherstellen, dass der vom Bundesrat definierte Wandel hin zu nachhaltigeren Ernährungssystemen mit entsprechenden Anreizen und fairen Preissystemen umgesetzt wird.» Dazu brauche es mehr Transparenz, gut funktionierende Märkte und klare politische Vorgaben, «wovon wir noch weit entfernt sind», so Flückiger.
Übermässige Marktmacht der Grossverteiler braucht mehr Transparenz
Der Anteil am Labelabsatz der beiden Grossverteiler liegt bei den Schweinen bei 85%. (5) Was in der Vergangenheit für den Aufbau der Labelsortimente als positiv angeschaut wurde, gilt auch heute. Es braucht die Grossverteiler bei der Weiterentwicklung der Ernährungssysteme und immer mehr auch andere Anbieter sowie der Gastrokanal, da ca. 50 % des Fleisches ausser Haus konsumiert wird. Voraussetzung ist aber, dass die marktmächtigen und preisbestimmenden Unternehmungen eine faire Preispolitik praktizieren und ihre Marktmacht nicht missbrauchen.
Deshalb ist die kostendeckende Abgeltung der Mehrleistungen bei den Produzenten konsequent einzuhalten und die unveränderte Tierwohlprämie, die zwischen 0.25 – 0.45 CHF pro kg Schlachtgewicht variiert, auf das Niveau anzuheben, dass die Tierwohlmehrleistungen den Produzenten zu 100% und somit fair entschädigt werden.
(1) Labelstatistik des Schweizer Tierschutz STS.
(2) Das zeigt auch eine neue Umfrage von FMS unter 75 Bäuerinnen und Bauern vom 17. Januar 2024: Für 92 Prozent der Befragten ist die Entschädigung nicht fair und nicht kostendeckend.
(3) Studie Agroscope, Kostendeckung von Tierwohlleistungen, 2020.
(4) vgl. FMS-MM Preismonitor: https://fairemaerkteschweiz.ch/neuer-preismonitor-zeigt-preispolitik-in-der-schweiz-ist-nicht-nachhaltig
(5) Quelle: Labelstatistik des Schweizer Tierschutz STS.