Monatsbericht Mai

Getreide schiesst aus der Getreidereinigungsmaschine in einen Auffangbehälter und wird von einer Hand geprüft.

Letzte Woche ereignete sich ein wichtiger Meilenstein in der jungen Geschichte von Faire Märkte Schweiz: Am 22. Mai 2024 haben wir die erste Anzeige bei der Weko deponiert. Wir gehen im Fokusthema darauf ein.

Eine Woche zuvor ein weiterer Meilenstein: Am 16. Mai 2023 war der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) gegründet worden. Auf das einjährige Bestehen haben wir zwar im kleinen Rahmen angestossen. Weil der Verein aber am 4. Juli an die Öffentlichkeit ging und an diesem Datum seine Arbeitsbereiche und Dienstleistungen lancierte, begehen wir unser offizielles Einjähriges am 4. Juli 2024, gemeinsam mit Mitgliedern, Beirat und Vorstand (wer noch nicht Mitglied ist, kann sich hier anmelden).

In den Kurzmeldungen berichten wir über das neue Schwerpunktprogramm «lokal+fair», das wir am Sonntag lanciert haben, über erfreuliche Beispiele, wie unsere Interventionen wirken, was wir mit dem neuen Bioprogramm Bio365 von Coop zu tun haben und zum Schluss noch über interne Mitteilungen des Vorstandes.


Im Fokus

Erste Anzeige von Faire Märkte Schweiz (FMS) bei der Weko

Schon früh in unserer jungen Vereinsgeschichte wurden wir via unsere Meldestelle von KMU-Müllern und Getreideproduzenten auf Missstände im Getreide- und Mehlmarkt aufmerksam gemacht. Aus Angst vor Konsequenzen wollten diese namentlich nicht genannt werden, was aufgrund der Dominanz von wenigen Firmen um die zwei Grossmühlen (Swissmill von Coop und Groupe Minoteries SA) und den grossen Abhängigkeiten von KMU-Betrieben verständlich war.

Es eilte! Der Ständerat hatte die Motion des Grossmüllers und damaligen Ständerats Hansjörg Knecht (SVP, Aargau) mit 41 von 43 Stimmen gutgeheissen und im Dezember 2023 war die Vorlage im Nationalrat. Sie hätte ein System legalisiert, das eine ungerechtfertigte Bereicherung von System-Profiteuren erlaubte. Aufgrund unserer intensiven Lobbyingmassnahmen und Präsenz in der Öffentlichkeit (zum Blogbeitrag hier, zu einer Analyse in der NZZ hier) haben wir das zuvor Unmögliche geschafft: Der Nationalrat hat am 11. Dezember 2023 mit 93 zu 86 Stimmen und 7 Enthaltungen dieser Praxis eine Abfuhr erteilt. Beinahe wäre dann aber über die Hintertüre die gleiche wettbewerbsschädliche Regelung ins Zollabgabegesetz (ZoG) geschmuggelt worden, wenn FMS nicht wieder vehement dagegen gekämpft hätte.

Nach dem politischen Erfolg konnten wir uns intensiv dem Getreide- und Mehlmarkt widmen. Mit unserer Recherche zeigten wir deutlich auf, wie heute die Grossmühlen und grosse exportierende Verarbeitungsbetriebe durch Systemfehler und intransparente Berechnungsgrundlagen übermässig profitieren zu Lasten von den Getreideproduzenten, KMU-Mühlen und letztlich auch Konsumentinnen und Konsumenten (zum Blogbeitrag hier, direkt zur Systemanalyse hier). Faire Märkte Schweiz entschied zu handeln und hat zusammen mit seinen Kartellrechtsexperten eine Anzeige ausgearbeitet und vor Wochenfrist bei der Weko deponiert (siehe etwa hier). Es geht um die Forderung, die auf dem Markt für Getreide, insbesondere für Backmehl, vorhandenen Systemfehler bzw. Wettbewerbsverzerrungen mittels einer Sektoruntersuchung kartellrechtlich abzuklären.

Das Getreidedossier hat erneut gezeigt, wie wichtig der gesamtschweizerische Auftritt von FMS ist. In den beiden Sprachregionen ist die Interessenlage zu unseren Themen zum Teil ganz unterschiedlich. Das Getreidethema stösst in der Westschweiz auf eine besonders grosse Resonanz, was mit dem grossen Beitrag in LeTemps bestätigt wurde.

Kurzmeldungen

Toller Auftakt für das Programm lokal+fair!

Mit dem Programm «lokal+fair» will FMS die lokalen Lebensmittelnetzwerke in den Mittelpunkt stellen, damit diese eine Alternative zum klassischen Absatz bekommen, weil die Betriebe vom Preisdruck und den überhöhten Margen in Verarbeitung und Handel besonders betroffen sind (mehr zur Lancierung hier). lokal+fair soll die Direktvermarktung und den Absatz über kurze Versorgungsketten voranbringen. Damit soll die Wertschöpfung fairer verteilt und möglichst viel vom Konsumentenfranken bei den Produzierenden, Verarbeitenden und Gewerbebetrieben lokal und in der Region bleiben – fair und direkt und somit ein Vorteil für mehr Umwelt, Mensch und Tier. Zur Plattform hier. Mehr zu Zielen und Inhalten von lokal+fair – und auch, warum es lokal+fair komplementär zu bestehenden Initiativen braucht – auch im Bericht der SonntagsZeitung, der BauernZeitung oder des Schweizer Bauer. Nun steht die Arbeit an: Betriebe gewinnen und kommunizieren!

Nahversorgungskonzepte werden auch in ländlichen Räumen von zunehmender Wichtigkeit. Deshalb unterstützt FMS auch die Gemeinden in dieser Verantwortung und Aufgabe. Am 14. September 2024 wird mit allen Akteuren und mit ersten Partnergemeinden der erste nationale Direktvermarktungstag lokal+fair begangen. 2024 ist lokal+fair ein Pilotprojekt mit ausgewählten Betrieben und Gemeinden. Ziel ist, mittelfristig die ganze Schweiz abzudecken.

Transparenz soll ‘schuld’ sein an Coop 365?

Coop will mit der neuen Linie «Bio 365» günstige importierte Produkte mit tieferen Qualitätsstandards als die Knospe von Bio Suisse einführen. Das soll u.a. wegen der Preisvergleiche von Preisüberwacher und Faire Märkte Schweiz erfolgt sein. Das stimmt selbstverständlich nicht. Wir  haben mit unserer Mitteilung richtiggestellt, dass Coop mit Bio 365 das Fairness-Prinzip aufs Äusserste verletzt! Dies sehen auch Wirtschaftsethiker so und appellieren an die marktmächtigen Grossverteiler, dass die Frage der Macht mit der Frage der Verantwortung zusammengehört. Der Wirtschaftsethiker Dr. Thomas Wallimann hat dies in einem Experten-Beitrag auf unserer Webplattform im letzten Jahr deutlich gefordert.

Unsere Interventionen lohnen sich

Faire Märkte Schweiz fordert Transparenz, weil unfaire Handelspraktiken häufig durch Intransparenz ermöglicht werden. Transparenz haben wir beispielsweise Ende April auch von der Branchenorganisation Proviande gefordert, weil sich Rinderhalter bei uns gemeldet haben, die die Preisfestsetzung bei den Schlachtkühen kritisierten. In der Antwort von Proviande haben wir zwar nicht die Transparenzforderungen erfüllt bekommen.

Erfreulich war aber, dass in der Folgewoche vom 3. Mai die Richtpreise für Schlachtkühe um 10 Rappen und nochmals eine Woche später um weitere 10 Rappen pro kg Schlachtgewicht auf 9.40 Franken pro kg Schlachtgewicht gestiegen waren. Davon profitierte ein Landwirt oder eine Landwirtin für eine gelieferte Kuh gut und gerne mit 120 Franken Mehrerlös. Damit können wir aufzeigen, dass unsere Interventionen, an diesem Beispiel für Rindviehhalterinnen und Rindviehhalter, ihre Wirkung zeigen. In diesem Zusammenhang ein herzliches Dankeschön an die Personen, die uns mit ihren wertvollen Meldungen aus der Praxis ermöglichen, uns immer wieder für fairerer Märkte einzusetzen. Link zur Meldestelle: https://fairemaerkteschweiz.ch/meldestelle/

Informationen aus dem Vorstand – und werden Sie Mitglied!

An der Sitzung von Ende April hat der Vorstand über die Aufnahme von Mitgliedern entschieden. 19 Aktivmitglieder und 41 Passivmitglieder konnten aufgenommen werden. Das Engagement von zahlreichen Gönnerinnen und Gönnern hat der Vorstand verdankt.

Auf der Grundlage des Jahresberichts stellte der Vorstand erfreulich fest, dass unsere bisherigen Aktivitäten in Markt und Politik für mehr Fairness sehr positive Veränderungen bewirkt haben. Dieser Erfolg bringt gleichzeitig einen erhöhten Handlungsbedarf mit sich. Um die daraus resultierenden Aufgaben und Projekte bewältigen zu können, sind entsprechende Mittel nötig.

Wir laden Sie herzlich ein, Teil unserer Gemeinschaft zu bleiben oder zu werden, sei es als Mitglied (zur Anmeldung hier) mit einem Beitrag ab 50.- pro Jahr oder als Gönnerin oder Gönner (mehr hier). Ihre Unterstützung ist entscheidend, dass wir unsere Unabhängigkeit behalten und mit unserer Mission für mehr Fairness im marktwirtschaftlichen System und im Wandel zu mehr Nachhaltigkeit noch stärker vorankommen. Besten Dank!

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